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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl
Autoren: ADMIN JR.
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schickt, und insonderheit, was er seiner hübschen jungen Frau schuldig ist. Außerdem kann er sich das leisten.
    Meister Faletti unterbricht die Beethovenarie. Er ist nicht zufrieden und erklärt Atemstütze. Atemstütze kann man nicht erklären, Atemstütze muß man fühlen. Er saugt seine baritonale Heldenbrust voll Luft und spannt die Muskeln, und dann muß Frau Hedwig ihre Hand auf seinen Magen legen. Es fühlt sich an wie ein eiserner Kessel. Das ist Atemstütze.
    Nun muß Frau Hedwig den eisernen Kessel machen. Sie gibt sich alle Mühe und wird blaurot im Gesicht. Aber auf den Magen läßt sie sich nicht fühlen. Sie ist eine brave Frau und singt nur zu ihrem Vergnügen. Der Maestro ist darüber traurig.
    In die Atemstütze hinein platzt Kempenich mit seinem Entschluß, nach Köln zu fahren.
    Es ist erstaunlich, in welch kurzer Zeit ein verreisender Ehemann ein friedliches Heim auf den Kopf zu stellen vermag. Frau Hedwig hetzt mit glühenden Bäckchen durchs Haus und tut zehnerlei gleichzeitig. Der Maria hängen die Haarsträhnen ins rote, verschwitzte Gesicht. Alle erreichbaren Schubladen und Schranktüren sind weit aufgerissen. Auf sämtlichen Tischen, Stühlen, Sofas, Sesseln liegen Hosen, Hemden, Jacken, Kragen, Socken. Christian Kempenich steht inmitten des Schlachtfeldes wie ein General und gibt Befehle, auf die niemand hört.
    Langsam lichtet sich das Chaos. Die Gehrockhose ist frisch gebügelt. Das Faltenhemd mit der kugelsicheren Heldenbrust wird herbeigetragen. Nimmt man eine schwarze oder weiße Krawatte? Wo ist die Bartbinde? Soll man einen Schirm mitnehmen? Maria, den Feldstecher! Wozu den Feldstecher?
    Faletti steht irgendwo herum. Man hat ihn vergessen. Er ist nicht böse darum und verabschiedet sich diskret, nachdem seine sechzig Minuten herum sind.
    Dafür ist Tante Selma zur Stelle. Es ist die Tante, die jeder hat, der Dorn im Blütenstrauß der Verwandtschaft. Natürlich keine richtige Tante, sondern eine entfernte Verwandte, die leider nicht entsprechend entfernt wohnt, sondern nur die Ecke herum, und die überall dabei sein muß.
    Sie hilft packen. Ihre Hilfe besteht in guten Reden. »Du willst nach Köln, Christian? Sieh mal einer an.«
    »Ich will nicht. Ich muß. Leiderleider.«
    »Das ist aber komisch, daß du mußt. Warum fährt denn die Hedwig nicht mit?«
    Warum? Daran hatte er offengestanden noch gar nicht gedacht. Hedwig auch nicht. Eigentlich merkwürdig, daß er daran noch nicht gedacht hatte.
    »Ja, Hedwig, wenn du Lust hast?«
    Natürlich hat sie Lust. Zum Reisen hat man immer Lust. Es wird ganz gut gehen. Mit dem Schlafen in Köln kann man sich einrichten. Die Maria muß das Haus verwahren. Maria ist aus der Eifel und erst vier Monate in Stellung; vor ein paar Tagen hat sie Nachts die Haustür offengelassen, und im Februar, als das Wasserrohr platzte, ist sie vor dem Wasserstrahl ausgerissen und auf den Söller geflüchtet. Und ein bißchen vergeßlich ist sie auch – nein, eigentlich kann man ihr das Haus doch nicht anvertrauen.
    So kam es, daß der Kanzleivorsteher Christian Kempenich allein nach Köln fuhr.
    ***
    Die Kölner sind eigentlich beklagenswerte Leute: Sie können nicht nach Köln fahren. Sie können höchstens ins Siebengebirge oder an die Mosel. Aber was will das schon besagen gegen Köln?
    Mit diesen und ähnlichen Gedanken kam Kempenich in Köln an, wurde am Bahnhof zahlreich abgeholt und sogleich in den Schoß der Familie aufgenommen.
    Er war noch nie hier gewesen. Man gab ihm einige Erklärungen: Das ist der Bahnhof. Das ist der Dom. Das ist die Brücke. Das ist der Rhein. Er nahm alles gewissenhaft zur Kenntnis, fuhr dann mit der Trambahn durch endlose Straßen bis in eine Gegend, wo alle Häuser gleich aussahen, und widmete sich dort mit Inbrunst der Zwillingstaufe und den damit verbundenen Feierlichkeiten.
    Feierlichkeiten bestehen in der ganzen Welt und seit Urbeginn der menschlichen Gesittung aus Essen. Kempenich fraß sich drei Tage lang tapfer durch Filetbraten und junge Erbsen, durch Kalbsbrust und Mandelpudding und Kirschkuchen und Schlagsahne und bewunderte gebührend die sichtbaren und verborgenen Schönheiten der Zwillingssäuglinge und stellte tiefgründige Ähnlichkeiten fest. Er legte sich auf die Lauer, um das erste Lächeln zu erspähen, er baumelte mit der Uhr, schnitt Gesichter und quakte wie ein Frosch, ohne irgendwelchen Eindruck auf das Zwillingspaar zu machen. Lachen taten nur die andern.
    Der Höhepunkt des Festes aber war die
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