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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl
Autoren: ADMIN JR.
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Erzählung einfach aus, verstehen Sie, dann gibt es Sie gar nicht, Sie Ausgeburt meiner höllischen Phantasie!«
    »Zu spät!«, stellt Derendorfs Geist amtlich fest. »Die Leute haben von mir bereits Kenntnis genommen. Und jetzt bin ich da.«
     
     

 

Nachwort
    Meinen Vater erkennt man an seinen Werken. Darum habe ich nichts hinzuzufügen.
    Auch seine Werke brauchen keinen Kommentar. Papa benötigte keine schizophrenen Helden, weder Unter- noch Überschwelliges, noch verrenkte Konflikte. Er war Baumeister mit den Menschen und Situationen des Alltags. So, als wenn es Ziegelsteine wären, ganz normale, genormte Dinger. Darum bewundere ich ihn.
    Er wollte Ingenieur werden, aber seine schlechten Augen erlaubten es ihm nicht. Sie erlaubten ihm jedoch, bei einer von mir ins Haus geschleppten Freundin gleich festzustellen, daß sie falsche Zähne hatte!
    Notgedrungen wurde er Rechtsanwalt. Kein guter: die einen schickte er nach Hause, weil ihre Sache aussichtslos sei. Die anderen, weil er ihre Sache nicht mit Überzeugung vertreten könne. Meine Mutter meinte, er solle auch einmal an die Familie denken und nicht immer an die ›Würde seines Standes‹. So wurde mein Vater zwar ehrenwert, aber nicht reich. In meiner Klasse hatte ich einen Mitschüler, dessen Vater es umgekehrt erging. Bei dem hatten wir Schulden.
    Meine Mama meinte, Papa könne ein guter Schriftsteller werden. Papa glaubte das weniger. Weil er Mama aber so liebte, begann er zu schreiben. Mama tippte. Oder auch ich (dann bekam ich eine Entschuldigung, warum ich keine Schularbeiten machen konnte. Wir waren darin sehr erfinderisch). Mama ging noch weiter: sie gab ihren Beruf als Konzertsängerin auf. Nur, um für Papa zu tippen, der nicht an sich glaubte.
    Das Erstaunliche war später nicht der Erfolg, sondern vorher der Mißerfolg! Entweder bekam er auf seine eingesandten Manuskripte gar keine Antwort – und das war die Regel – oder eine vernichtende. Mama tippte unbeirrt weitere Exemplare, und ich mußte sie mit dem Fahrrad auf die Post bringen.
    Daran denke ich heute mit Wehmut zurück. Papa hatte mir sogar ein besonders schönes, ganz verchromtes Fahrrad gekauft. Damit ich mehr Schwung hätte beim Zur-Post-Bringen. Es nutzte aber nichts.
    Als Mama endlich einen gutmütigen Verleger für Papa gefunden hatte, waren wir ganz sicher, endlich reich zu werden. Mama lies gleich einige Sessel neu überziehen – und anschreiben –, außerdem richtete sie eine ›Bar‹ im Musikzimmer ein; sie bestand bescheiden aus zwei antiken Leuchtern, einer Flasche Cinzano und einer Flasche Bols Gin. Das mischten wir jeden Nachmittag gegen 6 Uhr und warteten auf das Geld.
    Es kam erst, als das Buch verfilmt wurde. Mir wurde ein Faltboot geschenkt, Papa ein neuer Hut und Mama hatte recht behalten.
    In diese Zeit fiel eine Verteidigung, die mein Vater für einen Gaswerks-Angestellten übernommen hatte. Wegen ›Heimtücke‹. Denn inzwischen trampelten braune Horden durch die Straßen. Der Angeklagte hatte in einer Trambahn geäußert, ein BDM-Mädchen habe Zwillinge bekommen. – Der Staatsanwalt tat sein Bestes. Mein Vater auch. Es waren aber weder das geschwängerte BDM-Mädchen aufzutreiben noch dessen Zwillinge, und so versuchte es mein Vater auf die lustige Tour: er beantragte Sachverständigen-Gutachten, daß die Zugehörigkeit zum BDM es biologisch verunmögliche, Zwillinge zu entwickeln. Papa mußte dafür 100 Mark wegen ›Ungebührlichkeit vor Gerichte bezahlen. Aber das Gericht lachte dabei und sprach den Gasmenschen frei. – Als der in seine Freiheit und aus dem Sitzungssaal marschieren wollte, wurde er von SS-Hilfspolizei ins KZ gebracht. – Erst weinte mein Vater, der immer so an Justitia geglaubt hatte. Dann schrie er so, daß es die Leute über uns hören mußten. Und dann meldete er sich als Anwalt ab.
    So wurde er Schriftsteller.
    Papa wollte, daß auch ich Schriftsteller werde. Ich sagte ihm, daß ich nie an ihn heranreichen werde. Und da habe ich recht behalten.
    Alexander Spoerl
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