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Hebt die Titanic

Hebt die Titanic

Titel: Hebt die Titanic
Autoren: Clive Cussler
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stieg eine Treppe hinauf und trat durch eine Tür auf die Steuerbordseite des Bootsdecks hinaus. Unwillkürlich biß er die Zähne zusammen. Die Temperatur dicht unter null Grad traf ihn nach den drei Tagen in der warmen Geborgenheit seiner Kabine wie ein Eishauch. Es war vollkommen windstill – nur diese beißende Kälte hing reglos unter dem wolkenlosen Nachthimmel. Er trat an die Reling und schlug seinen Jackenkragen hoch. Das Meer tief unter ihm war schwarz und ruhig wie ein Teich. Ein Blick nach beiden Seiten zeigte ihm, daß das Bootsdeck vom Dach über dem Rauchzimmer der 1. Klasse bis zum Steuerhaus vor den Offiziersquartieren völlig leer war.
    Rauch kräuselte aus den drei vorderen der vier riesigen gelbschwarzen Schornsteine. Aus den Fenstern des Salons und Lesezimmers fiel Lichtschein, der Behaglichkeit, Wärme und Menschennähe suggerierte. Die weiße Gischt unten am Rumpf wurde dunkler und verschwand, als das Schiff langsam Fahrt verlor und fast lautlos unter dem Sternenhimmel dahintrieb. Der Schiffszahlmeister kam aus der Offiziersmesse und spähte über die Reling. »Warum haben wir gestoppt?«
    »Wir sind gegen etwas gestoßen«, antwortete der Zahlmeister, ohne den Kopf zu wenden. »Ist es schlimm?«
    »Höchst unwahrscheinlich, Sir. Falls irgendwo ein Leck ist, werden die Pumpen schon damit fertig.« Urplötzlich brach ein Dröhnen aus den acht Dampfablaßrohren. Es klang wie das Donnerrollen vieler gleichzeitig durch einen Tunnel rasender Lokomotiven, und schon als er unwillkürlich die Hände an die Ohren preßte, erkannte der Passagier aus Kabine 33 den Grund dafür. Er war technisch bewandert und wußte, daß der überflüssige Dampf aus den jetzt sehr langsam arbeitenden Maschinen durch die Entlastungsventile abgeblasen wurde.
    Das schreckliche Getöse machte ein weiteres Gespräch mit dem Zahlmeister unmöglich. Der Passagier wandte sich ab und sah Matrosen auf das Bootsdeck eilen. Das Unbehagen, das er schon in der Kabine gespürt hatte, steigerte sich zu lähmendem Entsetzen, als er beobachtete, wie die Matrosen die Persennings von den Rettungsbooten abzustreifen begannen und die Taue zu den Davits freimachten. Das Donnern aus den Dampfablaßrohren wurde zu dumpfem Grollen und verhallte zischend, während der Mann immer noch dastand und die Reling umklammert hielt: wie gelähmt von jener Erkenntnis, die all seine Mühen, seine Verbrechen und seine Hoffnungen so absolut sinnlos und lächerlich erscheinen ließ. Er bemerkte es kaum, daß kleine Gruppen von Passagieren in einer seltsam gedämpften Art von Verwirrung auf dem Bootsdeck umherzuirren begannen. Ein junger Schiffsoffizier tauchte auf. Er war Anfang Zwanzig, hatte das typisch englische Milchgesicht und den typisch englischen Gesichtsausdruck von gelangweilter Blasiertheit. »Verzeihung, Sir«, sagte er und tippte dem Passagier auf die Schulter. »Sie müssen Ihre Schwimmweste anziehen.« Der Mann drehte sich langsam um.
    »Wir sinken, nicht wahr?« Sogar in der Dunkelheit spürte der Offizier die wahnsinnsstarre Intensität des Blicks. Er zögerte einen Moment und nickte. »Das Wasser dringt schneller ein, als die Pumpen es bewältigen können.«
    »Wieviel Zeit bleibt uns noch?«
    »Schwer zu sagen. Noch etwa eine Stunde, wenn das Wasser nicht an die Kessel herankommt.«
    »Was ist passiert? Es war kein Schiff in der Nähe.«
    »Wir haben einen Eisberg gerammt. Der Rumpf hat einen Riß unter der Wasserlinie. So ein verdammtes Pech.«
    Der Mann packte den Arm des Offiziers. »Ich muß in den Laderaum«, sagt er wild entschlossen.
    »Fast unmöglich, Sir. Der Postraum im F-Deck ist überflutet, und das Gepäck wird bereits in den Laderaum hinuntergespült.«
    »Sie müssen mich hinbringen – Sie müssen!«
    Der Offizier versuchte seinen Arm freizuschütteln, aber die Finger krallten sich eisern fest. »Unmöglich, Sir! Ich habe Befehl, mich um die Rettungsboote an dieser Seite zu kümmern.«
    »Das kann auch ein anderer Offizier tun.« Der Mann sprach leise, aber mit fanatischer Eindringlichkeit. »Sie werden mich zum Laderaum hinunterführen.«
    Und als der Offizier den harten Druck einer Pistolenmündung an seinem Unterleib spürte, wurde ihm schockartig klar, daß er es offenbar tatsächlich mit einem Verrückten zu tun hatte.
    »Los! Führen Sie mich hinunter«, sagte der Mann leise, aber mit unüberhörbarer Drohung.
    »Sonst bleibt Ihnen überhaupt keine Chance, den Untergang vielleicht zu überleben.« Der Offizier starrte
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