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Hebt die Titanic

Hebt die Titanic

Titel: Hebt die Titanic
Autoren: Clive Cussler
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Deckenbeleuchtung brannte noch. Unten empfing sie die eisige Kälte des Wassers. Sie torkelten und stapften wie Betrunkene durch die Flut, die jeden ihrer Schritte hemmte und die Eiseskälte von den Beinen betäubend schnell in ihre Körper emportrieb. Endlich waren sie vor der Tresorkammer. Es war ein mächtiger Würfel von zweieinhalb Meter mit Wänden aus zwölf Zoll dickem Belfast-Stahl mitten in diesem Abteil der Laderäume.
    Der Mann zog den Schlüssel aus seiner Westentasche und schob ihn in den Schlitz. Das Schloß war neu und schwer beweglich, aber schließlich rasteten die Zuhalterungen mit hörbarem Klicken aus. Er schob die dicke Tür auf und trat in die Panzerkammer. Dann wandte er sich um und lächelte zum ersten Mal. »Vielen Dank für Ihre Hilfe, Bigalow. Gehen Sie jetzt lieber wieder hinauf. Sie haben noch Zeit.«
    Bigalow starrte ihn ungläubig an. »Sie wollen hierbleiben?«
    »Ja, ich bleibe, ich habe acht gute und treue Männer ermordet. Mit dieser Schuld kann ich nicht länger leben.« Er sagte das ohne jedes Pathos, aber mit einer von Verzweiflung und Wahnsinn gelenkten Entschlossenheit. »Es ist endgültig vorbei und erledigt. Alles.«
    Bigalow versuchte zu sprechen, aber seine Stimme versagte. Der Passagier nickte ihm noch einmal mit einem gespenstisch starren Lächeln zu und begann die Stahltür zuzuschieben. »Gott sei Dank für Southby«, sagte er.
    Und dann war er allein – in der undurchdringlichen Schwärze der Stahlkammer.
    Bigalow gewann den Wettlauf gegen die steigende Flut. Sekunden vor dem Untergang des Schiffs erreichte er das Bootsdeck und warf sich über die Reling.
    Als der riesige Ozeandampfer versank, entfaltete sich der schlaff an der hinteren Mastspitze hängende rote Wimpel mit dem weißen Stern noch einmal beim Berühren der Wasserfläche als ein letzter Gruß an fünfzehnhundert Männer, Frauen und Kinder, die in dem eisigen Wasser ihr Grab fanden. In blindem Instinkt griff Bigalow nach dem hinabgleitenden Wimpel. Bevor ihm die Verrücktheit dieser Tat klar wurde, fühlte er sich schon unter Wasser gezogen. Trotzdem hielt er den Wimpel in verzweifeltem Starrsinn fest. Er war schon fast sechs Meter unter Wasser, ehe die Taukränze des Wimpels aus der Halterung gerissen wurden und die Flagge ihm gehörte. Jetzt erst kämpfte er sich durch die ihn umfließende Schwärze empor. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, ehe er an die Oberfläche tauchte und keuchend Luft in seine gequälten Lungen sog. Sein erster Gedanke war: Der Sog des sinkenden Schiffes wird mich in die Tiefe reißen.
    Mit dem Wimpel in der einen Hand machte er ungeschickte Schwimmstöße vom Schiff weg.
    Aber das hätte ihm kaum etwas genützt, wenn sich nicht der tödliche Sog an einer anderen Stelle befunden hätte.
    Das eiskalte Wasser spülte fast die letzte Lebenskraft aus seinem Körper. Noch weitere zehn Minuten in dieser erbarmungslosen Umklammerung, und er wäre lediglich ein statistisches Opfer mehr dieses schrecklichen Unglücks gewesen. Ein Tau rettete ihn. Seine Hand streifte dagegen, und die steifen Finger umklammerten unwillkürlich das nachschleppende Tau eines gekenterten Bootes. Mit dem letzten Funken von verlöschendem Lebenswillen klammerte er sich an das Dollbord des umgeschlagenen Boots. Mit dreißig anderen Männern durchlitt er noch einmal alle Qualen der Todesangst und Kälte, bis sie vier Stunden später von einem anderen Schiff gerettet wurden.
    Der grausige Chor von Hilferufen Hunderter von Ertrinkender würde die meisten Überlebenden für immer in ihrer Erinnerung verfolgen. Aber in Bigalows Geist nistete sich noch eine andere grausige Erinnerung ein: die Erinnerung an den Mann, dessen selbstgewählte Grabkammer der Tresorraum des Schiffes war. Wer war dieser Mann?
    Und wer waren die acht Männer, die er angeblich ermordet hatte?
    Welches Geheimnis barg der Tresorraum? Das waren Fragen, die Bigalow immer wieder beunruhigen und heimsuchen würden: all die sechsundsiebzig Jahre bis zu seinen letzten Lebensstunden.

1
PROJEKT SIZILIEN
    JULI 1987
1
    Der Präsident schwang sich in seinem Drehsessel herum und starrte verdrossen aus dem Fenster des ovalen Büros. Er haßte sein Amt mit einer Leidenschaft, deren er sich nicht für fähig gehalten hätte. Wann das begonnen hatte, wußte er: an jenem Morgen, als ihm das Aufstehen schwergefallen war. Das war immer das erste Alarmzeichen: die lähmende Furcht, sich den Pflichten des Tages zu stellen.
    Wie schon oft seit seinem Amtsantritt
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