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Heavy Cross

Heavy Cross

Titel: Heavy Cross
Autoren: Ditto Beth
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Jane Anns Kreditkarte an. Ein kreditkartenfinanzierter Kleiderschrank und ein eigenes Zimmer. Dean hatte es geschafft.
    An jenem Nachmittag, an dem ich die Schule schwänzte, sah ich in der Küche fern, fast vermisste ich schon das unablässige Geplapper von Tante Jannie, und zappte durch die verschiedenen Kanäle. Das heruntergewirtschaftete Immunsystem meiner Tante hatte einem Infekt nachgegeben und Jane Ann war mit ihr ins Krankenhaus gefahren, wo sie Antibiotika verschrieben bekommen sollte. Ein Blödmann im Anzug räumte bei Jeopardy! ab. Wäre Tante Jannie da gewesen, hätte sie ihm gezeigt, wo der Hammer hängt. Was ist eine quadratische Gleichung? Was ist Plutonium? Wer ist Eleanor Roosevelt? Plötzlich tauchte Dean auf, zerdrückte brutal eine Coladose.
    Â»Was machst du da, Dean?«, fragte ich und sah, wie er mit einem Messer winzige Löcher in das Aluminium stach.
    Â»Ich bau ’ne Pfeife«, antwortete er.
    Eine Pfeife? Im Fernsehen verwirrte der Moderator Alex Trebek die Ratenden mit einer neuen Frage, in der Küche verfolgte ich die seltsamen handwerklichen Bemühungen meines Cousins.
    Â»Für Pot«, erklärte er. Die Dose wurde zerdrückt, ja beinahe gefaltet. In das untere Ende stach Dean so viele Löcher, dass ein kleiner perforierter Bereich entstand, wo das Gras angezündet und durch die Öffnung der Dose inhaliert werden konnte.
    Ich wäre zuvor nie auf die Idee gekommen, dass sich so etwas aus einer Coladose machen ließ, und irgendwie war es auch schön zu sehen, dass sich Dean mit etwas entfernt Nützlichem beschäftigte.
    Â»Willst du was rauchen?«, lud er mich ein. Normalerweise war Dean nicht gerade dafür bekannt, seinen Wohlstand mit anderen zu teilen, und schon deshalb hielt ich es für angebracht, sein großzügiges Angebot anzunehmen. Außerdem war es aufregender, mit Dean Pot zu rauchen, als vor einer weiteren Runde Jeopardy! einzudösen. Also schlurfte ich meinem Cousin hinterher.
    Aber da ist noch etwas, was ihr über dieses hektische Haus mit dem alternden, kettenrauchenden Partyluder, den jungen Müttern mit ihren noch jüngeren Kindern, den verrückten Hunden, den missratenen Cousins und Cousinen sowie der Babysitterin, Haushälterin und Krankenschwester in Personalunion wissen solltet: Onkel Artus hatte es eigenhändig Stein auf Stein gebaut. Er war ein ausgezeichneter Zimmermann und hatte Aufträge in ganz Arkansas, die auch einigermaßen Geld einbrachten. Plötzlich aber hatte er so viel mit bezahlten Auftragsarbeiten zu tun, dass er nicht mehr dazu kam, sein eigenes Haus fertigzustellen. Trotzdem es schon seit fast dreißig Jahren stand, hingen überall Kabel herum. Die Fenster waren rahmenlose Scheiben in der Wand. An jenem Tag war es kühl. Es war Herbst, und das Haus kauerte sich zusammen, die Ritzen wurden breiter und drinnen war es eisig. Ich zitterte in meiner Jogginghose und meinem Lieblings-T-Shirt – Tante Jannie hatte mit Stofffarbe eine Chanteuse vorne draufgemalt, eine elegante Dame, die einer riesigen Muschel entstieg. Damals gab es nicht viele Dinge, die ich mein Eigen nennen durfte. Ich hatte nicht mal ein Bett, und oft durchsuchte ich morgens Jane Anns Kommode nach einem sauberen BH und Unterwäsche. Aber das T-Shirt gehörte mir, und ebenso die Figur darauf: eine Sängerin.
    In Deans Zimmer herrschte, wie im Rest des Hauses, heilloses Durcheinander. Sein Bett bestand aus einem Deckenhaufen, überall auf dem Boden lagen schmutzige Klamotten herum. Ich lehnte mich ans offene Fenster und versuchte, auf cool zu machen. Ich hatte noch nie Pot geraucht. Es kam mir gar nicht so vor, als wäre das etwas Schlimmes – auf jeden Fall war es sehr viel harmloser als Whiskey oder harte Drogen, die normale Menschen in Zombies verwandelten. Andererseits war es auch eine größere Sache, als eine Zigarette zu rauchen, und mehr hatte ich bis dahin noch nicht ausprobiert. Im zarten Alter von sechs Jahren hatte mir eine Babysitterin bereits beigebracht, wie man inhaliert. Das skrupellose Mädchen – das sich schwängern ließ, während sie eigentlich auf mich hätte aufpassen sollen – hatte mir gezeigt, wie man den Rauch in die Lunge saugt, und seitdem rauchte ich. Ich befriedigte meine Sucht, indem ich während der endlosen Fernsehsessions mit Tante Jannie heimlich Winstons aus ihrem Päckchen stibitzte. Aber Pot gehörte in eine
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