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Heavy Cross

Heavy Cross

Titel: Heavy Cross
Autoren: Ditto Beth
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Problem. Sie nahm sich einfach das Recht heraus, es sich in ihrem Körper und ihrem Zuhause gemütlich zu machen und sich nicht darum zu scheren, was andere davon hielten. Diese Mischung aus Bequemlichkeit und Gemütlichkeit faszinierte mich mindestens so sehr wie die seltsame Unterwäsche. Selbstbestimmt. Das war Tante Jannie. Sie hatte ein Recht auf ihren eigenen Körper. Ein Recht darauf, sich wohlzufühlen. Ein Recht darauf, in ihrem Haus so zu leben, als würde es ihr allein gehören. Und vielleicht rief sich Tante Jannie auf diese Weise in Erinnerung, dass sie die Hausherrin war. Sie saß am Küchentisch, wie sie wollte, und niemand durfte etwas dagegen sagen. Sie selbst war allerdings alles andere als still. Sie stieß Flüche aus, wie es ihr gerade einfiel. Und es fiel ihr oft ein: »Cocksucker«, »Motherfucker«. Tante Jannie brachte mir haarsträubende Schimpfwortklassiker bei, und ich nahm sie mit auf den Schulhof – unglaubliche Wörter, die ich meinem Waffenarsenal hinzufügte. In meiner Stadt herrschten raue Sitten, doch ich lernte von einer Löwin, meinen Platz zu behaupten und mir die Leute vom Hals zu halten. Die meisten bekamen es mit der Angst zu tun, wenn man etwas Schockierendes sagte. Wer wusste schon, wozu man fähig war? Würdet ihr euch mit einer fetten Frau anlegen, die fluchend in Unterwäsche am Küchentisch sitzt? Ich glaube kaum.
    Ständig entdeckte ich etwas Neues an Tante Jannie. Immer wenn ich dachte, ich hätte sie durchschaut, lernte ich ein neues Schimpfwort oder hörte eine neue Geschichte. Oder auch die Sache mit dem Tittenschlagstein. Eines Tages balancierte ich auf einem Küchenstuhl und fischte eine Packung Teddy Grahams vom Kühlschrank, als ich dort einen Stein fand.
    Â»Was ist das?«, fragte ich und hielt den seltsamen Stein hoch, so groß und schwer wie eine Rolle 25-Cent-Stücke, mit Rillen drin, damit die Finger nicht abgleiten.
    Â»Was, du weißt nicht, was das ist?« Tante Jannie grinste stolz und spöttisch. Sie wartete auf meine Antwort.
    Â»Ein Stein?«, riet ich blöde.
    Â»Fast richtig.« Sie lächelte. Ich kletterte mit dem Stein in der einen und der Packung Kekse in der anderen Hand vom Stuhl. Tante Jannie nahm den Stein und legte die Hand darum. Er verschwand in ihrer Faust, die jetzt sehr schwer und mächtig wirkte.
    Â»Das ist ein Tittie Rock!«, krächzte sie. »Damit haut man Mädchen auf die Titten.«
    Wie Lara Croft besaß auch Tante Jannie eine Waffe, die so etwas wie ihr Markenzeichen war. Einen Tittenschlagstein.
    Tante Jannie hatte sich in ihrer Jugend häufig geprügelt. Als ich den Stein fand, konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie immer noch Mädchen auf die Titten schlug, so alt und krank, wie sie war. Trotzdem bewahrte sie ihn für alle Fälle auf. Mit zunehmendem Alter verschob sich aber das Gleichgewicht. Obwohl Tante Jannie eine spezielle Waffe gegen Frauen besaß, richtete sich ihr Zorn vor allem gegen Männer. Sie war die erste Männerhasserin, der ich je begegnet bin, ungebremst schimpfte sie auf die komplette Bagage und hielt sich dabei kein bisschen zurück. Cocksucker und Motherfucker . Frauen hätte sie niemals mit solchen Begriffen belegt. Tante Jannie konnte einen Mann innerhalb von Sekunden einschätzen. Sie wusste sofort, ob es sich bei dem Teilnehmer einer Quizshow um eine arrogante Intelligenzbestie oder das schwarze Schaf der Familie handelte. Tante Jannies Cocksucker- und Motherfucker -Radar war im Laufe ihres Lebens immer sensibler geworden. Niemand konnte genau sagen, welcher Mann oder welche Männer Tante Jannie etwas angetan hatten. In Judsonia sprach man über solche Dinge nicht. Fest stand nur, dass sich aus irgendeinem Grund eine Betonschicht um ihr zartes Herz gelegt hatte. Irgendetwas hatte sie hart und furchterregend gemacht. Ich schätze, den Schuldigen zu suchen, würde alle möglichen Gespenster der Vergangenheit zum Vorschein bringen. Trotz meines geringen Alters wusste ich genau, dass es besser war, die Klappe zu halten und nicht zu erzählen, was Männer und Jungs mit mir anstellten. Ich hatte gelernt, immer wieder aufzustehen und weiterzumachen. Doch ich war nicht stark und kämpferisch, hatte keinen Beschützerinstinkt und keinen Zorn in mir. Ich war keine herrliche Löwin, die trotzig und herausfordernd allen den Stinkefinger zeigte. All das lernte ich erst von
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