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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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fast die Gabel aus der Hand. »Hör mal, du tickst wohl nicht mehr richtig!«
    »Du rauchst wie ein Schlot, betrinkst dich dreimal die Woche auf Kulturschwafelveranstaltungen und torkelst in deinem ›Denkraum‹ rum, erzähl du mir nichts über Drogen!«, fauchte Falk.
    Klaus wusste darauf nichts zu antworten. Aber Wiebke war nicht zu erweichen: »Einmal Krankenhaus reicht!«
    »Im Dachgärtchen wäre vielleicht noch ein Eckchen frei«, versuchte ich Falk zu unterstützen. Und Falk argumentierte, dass er, wenn er die eigene Farm, in ihrer Obhut, in ihrer Wohnung hätte, mit kleineren Dosen experimentieren könnte, also zu reifer Praxis und besonnenem Umgang gelangen würde, während er hingegen auf irgendwelchen obskuren Partys von anderen Leuten undurchschaubare Mengen verabreicht bekäme. Außerdem würden diese Pilze seine Kreativität anregen, er habe letztes Mal schon tolle Ideen für schöne Bilder gehab t …
    »Ich bezahle dir einen Malkurs, töpfern und häkeln kannst du auch. Mach Kunst, friss keinen Mist!« Mit diesem knappen, die Erziehungsvorstellungen meiner Mutter schön zusammenfassenden Satz war für sie das Thema beendet. Jahre später würde ich Wiebke darum beneiden, zu solch einer schlichten Imperativ-Weltsicht im Strudel von tausend möglichen Lebensentwürfen fähig zu sein. Wiebkes gelegentliche Zweifelsfreiheit schien mir eine Freiheit besonderer Art zu sein.
    Klaus trank währenddessen sein zweites Glas Wein in hastigen Schlucken.
    Vom Hof her schmetterte Heino: Ich hab’ Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren , doch bald wurde ihm ein fetziges Beat it von Michael Jackson entgegengesetzt. Thriller stürmte gerade die Charts. Wer auch immer Michael Jackson hörte, hatte die leistungsstärkeren Boxen.
    Als ich später in den Hof ging, stieß ich auf Falk, der Herrn Olk half, den herabgestürzten Gynäkologenstuhl wieder in Position zu bringen. Hommage an Baselitz nannte der Olk den umgedrehten Stuhl, wie mir die beiden erzählten. Oben in der Wohnung fragte ich Falk bei einem seiner Fressanfälle in der Küche, was ihn dazu bewegt hatte, ausgerechnet dem Grottenolk zu helfen.
    Falk goss sich ein Glas Fassbrause ein und ließ mich einen Moment zappeln. Dann meinte er: »Ich kann ihn eigentlich gut leiden. Wir haben uns im Sommer öfter auf dem Dachgärtchen unterhalten. Wusstest du, dass er nur einen Hauptschulabschluss hat?«
    Ich schüttelte den Kopf. Nun sollte ich die Geschichte einer gewagten Auswanderung zu hören bekommen:
    »Der Olk hat danach eine Ausbildung als Tischler gemach t – in Spandau, wo er herkommt. Sein Vater war übrigens ein hohes Tier bei den Nazis. Der wollte, dass der Olk Polizist wird. Oder Soldat. Wenigstens irgendwas mit Uniform, hat der Olk gesagt und sich geschüttelt. Fünf Geschwister hat der Olk. Und er hat sich da echt rausgestrampelt, ist als Einziger aus Spandau weggegangen, mit siebzehn, ohne Geld, einfach abgehauen, in die City, hatte lange Zeit keinen Kontakt zu seiner Familie. Und dann hat er sich hier halt, im wahrsten Sinne des Wortes«, Falk kicherte, »etwas aufgebaut.«
    Er wurde wieder ernst: »Nachdem ich ihm geholfen habe, hat er mich noch in seine Wohnung eingeladen und Spiegeleier für uns beide gebraten. Ich fand ihn eigentlich nett.«
    »Dann solltest du möglichst rasch mit Herrn Kanz ein Spiegelei essen, dami t …«, begann ich.
    » … das Gleichgewicht des Schreckens auf unserm Hof nicht ins Wanken gerät«, ergänzte Falk und legte seinen Arm um mich.
    Seit der Krankenhausgeschichte verstanden Falk und ich uns wieder besser. Ich hatte ihn ja auch, wenngleich ohne Erfolg, bei der Geschichte mit der Zauberpilzzucht unterstützt. Ich war neugierig, wie die Dinger wohl aussahen, ob sie schnell oder langsam wachsen würden, wie oft man sie gießen musste, wie man sie optimal pflegte. Dann hätten Falk und ich ein gemeinsames Hobby!
    Vom Hauser und dem verschwundenen Adán hatte ich Falk aber bisher nichts erzählt. Niemand wusste davon.
    Nachts klingelte das Telefon. Schließlich eilte jemand leise stöhnend über die Holzdielen. Dann hörte ich Klaus sagen: »Es tut mir leid, ich kann wirklich beim besten Willen keinen weiteren Künstler für meinen Überblicksbeitrag berücksichtigen.« Und dann: »Nein, wie kommen Sie denn darauf? Ich war nie in Patagonien!«
    Ich konnte danach nicht mehr schlafen. Hoffentlich hatte der Anrufer nicht gesagt: Ihre Tochter hat das behauptet. Das fände Klaus überhaupt nicht lustig. Seufzend stellte ich das
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