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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Radio an. Paul ist tot von den Fehlfarben erklang. Ich hielt mein Ohr fest an das kleine Gerät und sah auch ringsum nur Ruinen, dachte, dass mir irgendetwas fehlte. Auch ich wollte nicht, was ich sah, wollte, was ich erträumte, und wusste nicht, ob ich nicht was versäumte. Dieser Song sprach mir so aus der Seele, dass ich noch lange, nachdem ich das Radio ausgeschaltet hatte, Ich will nicht was ich seh, ich will was ich erträume vor mich hinsang.
    Beim Frühstück sagte Klaus gereizt, ich solle meinen Kakao nicht so laut schlürfen, er könne kaum die Nachrichten verstehen. Er musste selber lachen, als im gleichen Moment die Kaffeemaschine einen unerträglichen Lärm verursachte. Nein, der Anrufer hatte mich offenbar nicht erwähnt.

Back in Black – Twombly im Geiste
    Ein paar Tage später, als Fiona und ich zur Schule gingen, meinte ich, Klaus wieder vor der Peepshow zu sehen. Doch bei näherem Herantreten erkannte ich Erwin in einem Mantel meines Vaters. Karl kam auch über die Uhlandstraße gelaufen, dann verschwanden sie beide hinter dem Vorhang. Als wir den Ku’damm entlangfuhren, fielen mir die Poster mit einem hässlichen grünen Wesen mit merkwürdig dicken Fingerkuppen auf. E.T. Der Film lief auch bei uns an. Man konnte keine hundert Meter weit laufen, ohne auf ein E.T. -Poster zu stoßen.
    In der Schule hatte ein Mädchen schon ein T-Shirt mit E.T. a n – und beim Sport bemerkte ich, dass E.T. selbst auf ihren Socken prangte. Während Larissa und Melanie von heute auf morgen erwachsen wirken wollten (sie waren auch in die BSU , die Berliner Schüler Union, eine CDU -Organisation, eingetreten), gab es einen anderen Flügel in der Klasse, der nur noch Klamotten in Babyfarben trug. Stulpen, Handschuhe, Strickjacken, Mütze n – alles in Hellblau, Rosa oder Hellgelb. Ein paar Mädchen lispelten jetzt sogar, weil sie das süß fanden. Sie trugen auch noch Halskettchen mit Schnullern als Anhänge r – und waren natürlich von E.T. hellauf begeistert. Sonja hatte den Film, der erst vor wenigen Tagen angelaufen war, schon viermal gesehen und kannte ganze Dialoge auswendig.
    Ich gehörte mal wieder nirgendwo dazu, denn ich wollte weder in die BSU eintreten noch in den E.T. -Club. Anstatt auf den Schulhof zu gehen, vergrub ich mich in einem Kellerraum, in dem die Landkarten aufbewahrt wurden, oder spielte Tischtennis mit den Jungen aus unserer Klasse, die aus Isas Sicht noch merkwürdiger aussahen als Steffen.
    Am Nachmittag fand ich zu Hause nur einen Memoblockzettel von Klaus und Wiebke vor. Ein neuer Underground-Künstler, den sie sehr »witzig« fänden, werde in einer kleinen Off-Galerie bei uns in der Nähe ausgestellt, ich solle doch unbedingt kommen; wie immer lag eine Wegbeschreibung anbei. Der Künstler nannte sich Avus . So wie die Avus bei uns in Berlin.
    Unschlüssig kurvte ich eine Weile auf meinem Fahrrad herum. Es hatte geschneit. Als ich die stillen Nebenstraßen des Ku’damms entlangfuhr, kam ich an fünf hintereinander parkenden VW -Käfern vorbei. Mit ihren weißen Hauben sahen sie wie große Pralinen aus. Eigentlich gefielen mir Käfer besser als Motorräder, überlegte ich. Vielleicht sollte ich später mal einen Käfer fahren, ein Auto, das es bestimmt immer geben würde. Und, wer weiß, vielleicht würde ich mit meinem Käfer ja weiter kommen als der Hauser auf seinem Motorrad.
    Trotz der niedrigen Temperaturen herrschte Gedränge vor der kleinen Galerie. Schon sah ich Klaus, Wiebke und Herrn Wiedemann. Von der Straße her erkannte ich die Frau, mit der ich den Hauser auf der Zeitgeist -Ausstellung gesehen hatte. Sie trug ein schwarzes Kleid mit silbernem Nietengürtel und silbernen Schulterpolstern und war stark geschminkt. Knallblaue Mascara. Ich stieg ab und schob mein Rad über den Bürgersteig. Unter meinen Stiefeln knirschte das Streusalz. Ich bahnte mir meinen Weg durch die Menge vor dem Eingang, dann stapfte ich mit meiner beschlagenen Nickelbrille und meinen vor Nässe quietschenden Moonboots, die ich wieder aus dem Schrank geholt hatte, durch das Galerievolk. Einige Leute sprachen Englisch. Back in Black war der Titel der Ausstellung. Hatte AC / DC hier als Vorlage gedient? Oder war es Zufall? Die Geliebte vom Hauser hielt gerade eine Ansprache. Es war sehr laut, und sie schrie fast. Ich konnte nur Brocken verstehen. Sie deutete auf ein großformatiges Gemälde und sagte: »Das ist der Cy Twombly Berliner Prägung! Diese künstlerische Handschrift ist wirklich
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