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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Neuerscheinungen. Max Frischs Blaubart könnte Wiebke und Klaus interessieren oder Jurek Beckers Aller Welt Freund , aber wer weiß, nachher schenkten sie sich das eine oder andere schon gegenseitig. Wiebke und Klaus hatten beinahe alle Bücher von Frisch und Becker. Mir graute schon vor dem Tag, an dem einer der beiden das Zeitliche segnen würde, dann würden The Wiebkes and the Klauses sicherlich monatelang in Depressionen verfallen.
    In einer Woche war Weihnachten. The Wiebkes and the Klauses sagten beim Abendbrot, es stimme sie sehr nachdenklich, dass die Gesellschaft für deutsche Sprache »Ellenbogengesellschaft« zum Wort des Jahres gekürt habe. Sie sprachen beide von einem »Unwort«. Auf den Jahreswechsel, auf irgendetwas Neues schienen sie sich nicht zu freuen. Das Wetter war miserabel, und so konnten sie sich guten Gewissens zu Hause einigeln.
    Heute steckte bei uns im Briefkasten eine Ansichtskarte für mich. Isas Handschrift erkannte ich sofort. Nächstes Wochenende wollten ihre Mutter und sie nach Berlin kommen!
    Freitagabend holte ich Isa bei Frau Reiß, einer Freundin ihrer Mutter ab, bei der sie übers Wochenende wohnten. Lichtenrade! Ich brauchte eineinhalb Stunden, um dorthin zu gelangen.
    Die Rückfahrt mit Isa war lustiger, wir redeten gleich drauflos, sie zeigte mir ein Foto ihrer neuen Klasse (die Mädchen sahen alle noch tussiger aus als hier) und ließ mich raten, wer Marco war. Sie kreischte auf, als ich auf einen Sportstypen tippte: »Nein! Das ist Boris, der Vollhorst!« Der Typ, der sich dann als Marco entpuppte, sah nicht viel anders aus, nur trug er ein weißes Netzshirt mit einer aufgedruckten Sieben, Boris ein gelbes mit einer aufgedruckten Neun. Doch Isa knuffte mich in die Seite: »Sei nicht so oberflächlich.« Dann begann sie mir ihrerseits lang und breit zu erklären, warum ihrer Meinung nach ein Netzshirt mit Ärmeln etwas ganz anderes sei als ein ärmelloses.
    Meiner Meinung nach war nicht de r – fehlend e – Ärmel, sondern das Netz genau dieser springende Punkt, diese Trennlinie zwischen Gut und Böse, Schlau und Dumm und so weiter. Netzhemdträger, egal, ob mit oder ohne Ärmel, seien doofe Leute, versuchte ich Isa, überzeugt von der Wichtigkeit meiner Mission, meine Theorie nahezubringen, aber Isa schüttelte den Kopf. »Du magst eben alles nicht, was sexy ist, Jule, das ist dein ganz spezifisches Problem, aber das ändert sich auch noch.«
    Beleidigt schwieg ich. Was der Hauser wohl über solche schwierigen Dinge dachte? Ich hatte ihn schon in den verschiedensten T-Shirts gesehen, Netz, nicht Netz, Ärmel, keine Ärme l – er stand lässig über allem. Am liebsten aber mit nacktem Oberkörper.
    Später gingen Isa und ich zu Jean Pascal am Ku’damm und kauften uns die gleichen türkisfarbenen T-Shirts (mit Ärmeln und ohne Löche r – also waren wir beide zufrieden), unser »Freundschaftsshirt«, danach aßen wir Eis bei Häagen-Dazs . Das Geld für dieses teure Freizeitvergnügen hatte ich mir von Klaus geben lassen, denn ich wusste, was Wiebke über Häagen-Dazs dachte: Reine Geldmache. Und abends nahm Isa mich auf eine Modenschau von Esprit mit, für die sie auf irgendwelchen Umwegen über den Verein British Decorative Arts von ihren Eltern Karten ergattert hatte. Nicht, dass mich die Modenschau besonders interessiert, aber Isa war nun mal nicht alle Tage hier. Ich fragte mich, ob Melanie und Larissa uns dort über den Weg laufen würden, dann fiel mir jedoch ein, dass zumindest Melanie ja seit Neuestem einen auf seriös und modegeläutert machte.
    Bald standen wir zwischen aufgetakelten Frauen und breitschultrigen Männern, die ständig mit teuren Feuerzeugen herumhantierten. Als sich eine Frau in goldenem Netzkleid direkt vor mir großzügig Parfüm auflegte, imitierte ich einen asthmatischen Anfall. Aber das beeindruckte die Frau, die sich auch noch goldene und weinrote Strähnchen ins Haar gefärbt hatte, nicht im Mindesten.
    Die Show begann. Einige Models in großmaschigen weißen Glitzernetzshirts (mi t – ganz gewag t – nur einem Ärmel!) mit bunten Strassbommeln, die wie Weihnachtskugeln aussahen, schlappten zu Alan Parsons Project und zu Lionel Ritchie über den Laufsteg, und die Zuschauer starrten auf die Haut unter den Netzshirts. Ich beobachtete lieber die Leute um mich herum. Zum Beispiel das blonde Mädchen, vielleicht so alt wie ich, Arm in Arm mit einem klobigen, stiernackigen Mittvierziger, den sie mit »Putzischatz« anredete. Neben ihnen
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