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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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unverwechselbar: Langer Weg, manch Umwe g … Avus , der leider heute erkrankt ist, ist ein Künstler, der sich in seinem Werk immer wieder kritisch mit seiner Herkunft, mit der Geschichte Berlins, den Besonderheiten dieser einzigartigen Stadt, auseinandersetzt, das Janusköpfige der Stadt. Ein Kenne r … gerade auch das Verhältnis der Geschlechter zueinander, in Zeiten der zunehmenden sozialen Isolierung, durch und durch ironischer Einsat z … pornographische r … reflektiert und hinterfrag t …«
    Mehr verstand ich nicht. Eine Frau in einem tief ausgeschnittenen rot-schwarz-karierten Plastikkleid drängte mich ab. »Biste gerade vom Schlittenfahren gekommen?«, blaffte sie mich an und fegte mir ihre weißblond gefärbten Zauselhaare ins Gesicht. Ich schob mich aber rücksichtslos weiter nach vorn. Die Gemälde kamen mir bekannt vor: Hier der Kartoffelstempel mit dem Anarchie-Zeichen, dort der angedeutete Funkturm und die Mauer. Ich hatte die Bilder in Hausers hinterem Zimmer gesehen.
    Wiebke hatte mich jetzt entdeckt; sie schien sich sehr zu freuen, winkte euphorisch, streckte die Arme nach mir aus, schob sich durch die Menge und drückte mich an sich. Auch Klaus lachte mich an. »Toll, Kleine, dass du doch noch gekommen bist. Guck mal, diese Graffitikuns t – gefällt dir das nicht? Klaus und ich überlegen gerade, eine der Arbeiten zu kaufen. Sie sind sehr günstig und wirklich etwas Besonderes, so was findet man nicht in New York, London oder Paris.«
    Klaus und Wiebke schritten von Gemälde zu Gemälde, deuteten lachend auf Schlaufenreihen, Zickzacklinien und Penissymbole, kicherten über einen einstürzenden Funkturm. Klaus kam einmal kurz zu mir zurück: »Also, Jule, große Kunst ist das nicht, aber es hat schon was. Auch vom Gestus her ist es sehr lässig, ein bisschen schnodderig, wie diese Stadt eben so is t … Wirklich nicht schlecht.«
    Ich nickte stumm. Jetzt wurde der Hauser auch noch von meinen Eltern für gut befunden. Ich schob mich durch das Gedränge wieder nach draußen.
    Auf meinem Weg nach Hause radelte ich den Ku’damm hinunter, immer mit der Gedächtniskirche vor Augen. Wie ein verfaulter Zahn ragte sie in den tiefblauen, erstaunlich klaren Abendhimmel. In meiner Phantasie wurde sie immer größer und größer, ihre dunklen Zacken kletterten wie Schlingpflanzen im Zeitraffer nach oben, verdrängten den Himmel, das tiefe Blau, die Sterne, alles Schwarz. Wie Hausers Zimmer vielleicht im neuen Jahr.
    Mitte Dezember stellten sich schließlich die letzten Weichen für den Übergang vom roten Jahrzehnt in die schwarzen Dekaden. Bundeskanzler Kohl stellte in einer verfassungsrechtlich bedenklichen Abstimmung die Vertrauensfrage und erreichte, wie erwartet, im Bundestag keine Mehrheit. Damit, sagte der Tagesschau -Sprecher, werde der Weg zu Neuwahlen im kommenden Jahr geebnet.
    »Gratulation zur Niederlage«, Klaus klatschte kurz in die Hände.
    »Der Kohl, der bleibt nicht dran, der ist viel zu provinziel l «, sinnierte Wiebke. Es herrschte die übliche gemütliche Post- Tagesschau -Atmosphäre, in der jeder seine unausgegorenen Gedanken äußerte.
    »Ac h, wer weiß«, das war Klaus. »Der hat Sitzfleisch, der Typ. Und wieso sollte Provinzialität denn gegen die Eignung zum Kanzler sprechen? Achtzig Prozent der Deutschen leben in der Provin z … Der Typ ist ein Machtmensch, aber auf die gemütliche, nicht die brutale Tour, das kommt gut an. Außerdem wird er von seinen Gegnern unterschätz t – das hat schon immer geholfen.«
    »Ich will, dass E.T. Bundeskanzler wird. Der schießt dann die Grünen auf den Mars, und dort werden sie gefeiert wie bei uns E.T. «, blödelte Falk herum.
    »Nee, lieber du selbs t – dann gibt’s überall Hanfplantagen. Und vielleicht auch mehr Botanische Gärten. Und der private Hochbettenbau wird nach Kräften unterstützt.«
    »Das will die Mehrheit der Deutschen doch nicht. Die wollen die Todesstrafe für Christian Klar und für Kiffer Verbannung nach Grönland, wo kein Hanf gedeihen kann. Außer es gibt endlich eine Klimawende und wird mal wärmer da oben bei den Pinguinen.«
    »Du Hirni, Pinguine gibt’s nur in der Antarktis.«
    »Das heißt nicht ›in‹ sondern ›auf‹ der Antarktis.« Klaus wusste es besser.
    So ging es noch eine Weile. Bis Klaus aufstand und uns seine Neuerwerbung, eines der Bilder von Avus , zeigte. Selbst Falk gefielen die graffitiartigen Kritzeleien, rot und schwarz auf weißem Grund, in der linken unteren Ecke saß ein
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