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Jagdhaus in Der Eifel

Titel: Jagdhaus in Der Eifel
Autoren: Georg R. Kristan
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    Kapitel 1
     
     
     
    Der Panzerschrank war ein altes Monstrum, sichtbar dickwandig, stahlgrün, mit Hammerschlag-Effekt und ungewöhnlich schwer. Die Baudirektion hatte zusätzliche Eisenträger in die Decke des darunterliegenden Raumes einziehen lassen, um die Last abzufangen. Der Schrank brachte ein Element der Sicherheit in das Dienstzimmer des Chefs.
    Leichter hingegen wirkte die Ausstattung des Vorzimmers. Modische Steelcase-Möbel in freundlichen Orangetönen. Dazu gehörte – selbstverständlich – ein weibliches Wesen, für das die Bezeichnung »Schreibkraft« eine Herabsetzung sein mußte, aber auch derart hochkarätige Chefsekretärinnen wurden beim Bürodirektor formalistisch genau als Schreibkräfte im Stellenverzeichnis geführt. Nur war eben die Eingruppierung nach dem Angestelltentarif durch die höherwertigen BAT-Nummern gekennzeichnet. Jedoch die Code-Ziffer in den Akten des Referats für Sicherheitsangelegenheiten war weder der Dame noch den anderen Mitarbeiterinnen des Europa-Ministeriums bekannt.
    Jeder wußte, welch Geistes und Freundes Kind Brigitte Fournier in diesem Hause war. Keines jedenfalls von Traurigkeit. Die Abende und Wochenenden hatten ihren sehr intimen Streß, und darum war die gleitende Arbeitszeit ein gutes Alibi für eine etwas lockere Gestaltung des folgenden Wochenbeginns. Und wer wagte schon zu fragen, wo denn die Fournier zu dieser Zeit und Stunde wohl sei. Sie konnte sich ja auch im Ministerbüro aufhalten, wo ihre Freundin mit dem braven Vornamen Hedwig den Sprung in den höheren Dienst geschafft hatte. Sie war die persönliche Referentin des Ministers.
    Auch im Ministerbüro waren – vertretungsweise – die Fähigkeiten von Brigitte Fournier nicht minder gefragt als im Vorzimmer des Abteilungsleiters. Der hatte gerade seinen Urlaub angetreten, um an der Algarve zu kuren. Dort wollte er seine Hypertonie auf die Werte zurückführen, die einem Mann in so leitender Position angemessen sind und den Freuden des Lebens noch Raum lassen.
    Ministerialdirektor Henrik Aston, Master of Arts, ein deutsches Erziehungsprodukt der Ivy-League, geschult im Außenministerium und jetzt im Europaministerium verantwortlich für Fragen der Integration, »Sir Henrik« genannt, hatte die Erholung wirklich nötig. Durch die Verhandlungen über die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft war seine Abteilung 2 ständig gefordert. A-L-zwo, wie es bei den Ministerialen und Insidern kurz hieß, war geschafft. Die Dienste für die Frau Gemahlin mit Abendessen und Partybesuchen im Diplomatenviertel sowie die enge Zusammenarbeit mit der Sekretärin dürften ihren zusätzlichen Preis gefordert haben.
    Brigitte Fournier hatte ihren Urlaub nicht zur gleichen Zeit genommen, um dadurch zu bekunden, daß das Verhältnis zum Chef doch nicht so intim war, wie man im Hause munkelte. Gerüchte wollten sogar wissen, daß sie ihren Aufstieg nicht nur den ohne Zweifel vorhandenen Fähigkeiten einer geschulten Sekretärin verdanke, sondern auch dem fortdauernden liebevollen Einfluß ihres früheren Vorgesetzten, des Referatsleiters für »Industrie- und Nuklearpolitik« Dr. Robert Nattinger, wie auch den vielfältig verknüpften Beziehungen zwischen ihr, dem Abteilungsleiter und dem Ministerbüro. In diesem Kraftfeld konnte es nie schaden, wenn man sich Freunde verpflichtet hatte. Hier bedeutete nicht nur Wissen, sondern vor allem Schweigen Macht.
    In das Dame-Spiel war auch Dr. Nattingers ehrgeizige Frau Anne Rose einbezogen, die jede Beziehung ihres Gatten danach gewichtete, wie sie der Karriere förderlich sein könnte. Sie war als Industriellentochter recht wohlhabend, wenn nicht gar reich. In der elterlichen Fabrik, nahe der Stadt, lief die Produktion von Fahrzeugachsen und Differentialgetrieben trotz der Wirtschaftsflaute gut. Ihre Beteiligung am Unternehmen machte Anne Rose finanziell unabhängig. Einige von ihr bei jagdlichen Veranstaltungen zu Schrott gefahrene Pkws gaben hiervon Kunde. Da das Einkommen des Ehemannes für sie kein beachtenswerter Faktor war, mußte die Karriere stimmen.
    Seit Wochen kreisten ihre Gedanken um die Frage, ob genügend getan worden war, daß ihr Mann zum Leiter einer Unterabteilung befördert werden würde. Chef von sieben wichtigen Referaten und eine Besoldungsstufe, die dem Rang eines Brigadegenerals entspricht – das wäre eine enorme Statusverbesserung bei den Botschaftsempfängen.
    Auch ihr Mann Robert wußte, was in diesen Wochen auf dem Spiel stand. Nur noch
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