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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz
Autoren: John Updike
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Wahrheit wissen sie überhaupt nichts von ihm, außer, daß er ziemlich ramponiert aussieht. Was immer man tut, die andern wissen es nicht. Die Uhr steht auf zwanzig vor sechs. Er geht zum Telefon an der karamellfarben getünchten Wand und schlägt Eccles’ Nummer im Buch auf. Seine Frau ist am Apparat. «Hallo?» kommt es trocken. Rabbit schließt die Augen, die Sommersprossen tanzen im Rot seiner Lider.
    «Hallo. Kann ich bitte Reverend Eccles sprechen?»
    «Wer ist am Apparat?» Ihre Stimme hat sich auf ein unnahbares, kleines, hohes Roß geschwungen. Sie weiß, wer am Apparat ist. Er lächelt und stellt sich ihren festen niedlichen Hintern vor, dem er einmal einen Klaps gegeben hat.
    «He, hier ist Harry Angstrom. Ist Jack zu Haus?»
    Am andern Ende der Leitung wird der Hörer aufgelegt. Dieses Miststück. Nur weil ich nicht mit reinkommen wollte ins Haus. Der arme Eccles sitzt wahrscheinlich mit blutendem Herzen da und wartet auf ein Zeichen von mir, und sie geht zu ihm und sagt, falsch verbun den, der arme Kerl, ausgerechnet mit so einem Miststück muß er verheiratet sein. Er legt auch auf, hört, wie die Münze runterrasselt, und fühlt sich erleichtert von diesem Fehlschlag. Er geht hinaus, über den Parkplatz.
    Ihm ist, als bleibe hinter ihm in der Cafestube all das Gift zurück, das sie dem bedauernswerten müden Menschen jetzt ins Ohr träufelt. Er malt sich aus, wie sie Eccles erzählt, daß er, Harry, ihr mal auf den Hintern geschlagen hat, und er meint, Eccles lachen zu hören, und er lächelt selber. Er wird Eccles immer wieder lachend vor sich sehen. Irgend was war an ihm, das hielt einen immer fern: diese nasalen Töne, aber wenn er lachte, dann kam man ihm ganz nah. Dann konnte man sich sozusagen an ihn heranschleichen, von hinten, an der bedrücken den, klammen, klammernden, klebenden Vorderfront vorbei. Seine Unsicherheit war so bedrückend, diese Unsicherheit, die er nicht zuge ben konnte; statt dessen hat er immer seine Augenbrauen bemüht und jedes Wort ist in einem andern Ton gesprochen. Alles in allem: eine Erleichterung, ihn los zu sein. Er war so glitschig.
    Vom Ende des Parkplatzes aus gesehen, liegt Brewer wie ein Teppich hingebreitet da; sein Blumentopf rot wird staubig. Hier und da brennen schon Lichter. Die große Neon-Sonnenblume in der Stadtmitte sieht so klein aus wie ein Gänseblümchen. Die niedrigen Wolken sind jetzt rosa angeglüht, aber das Cirrus-Gewölle hoch oben im Dom ist noch bleich und klar. Als er sich an den Treppenabstieg macht, überlegt er, ob sie's getan hätte. Lucy.
    Er geht den Berg hinunter, über die bohlenverstrebten Stufen, an den Tennisplätzen vorbei, auf denen noch gespielt wird, durch die Weiser Street, er zieht das Jackett wieder an, biegt in die Summer Street. Sein Herz hängt in der Schwebe, aber es hat den richtigen Platz in seiner Brust wiedergefunden. Die Schlinge wegen Becky, die ihn zu erwürgen drohte, hat sich gelöst, seine Tochter ist im Himmel, er hat gespürt, wie sie dorthin ging. Wenn Janice es auch gespürt hätte, wäre er vielleicht bei ihr geblieben. Die Haustür steht offen, und aus F. X. Pelligrinis Tür tritt eine mummelnde alte Frau mit polnisch gebundenem Kopftuch. Er läutet an Ruths Tür. Der Öffner schnarrt, und Rabbit stößt rasch die Tür auf und stürmt die Treppe hinauf. Ruth kommt ans Geländer und sieht zu ihm hinunter und sagt: «Geh weg.»
    «Häh? Woher weißt du, daß ich es bin?»
    «Geh zurück zu deiner Frau.»
    «Ich kann nicht. Ich hab sie gerade verlassen.»
    Sie lacht. Er steht jetzt auf der zweitobersten Stufe, und ihrer beider Gesichter sind auf gleicher Höhe. «Immer hast du sie gerade verlassen», sagt sie.
    «Nein, diesmal ist es anders. Es steht wirklich schlimm.»
    «Mit dir steht's rundherum schlimm. Bei mir auch.»
    «Wieso?» Er ist auf die oberste Stufe getreten und steht einen Meter von ihr entfernt, aufgeregt und hilflos. Er hat gedacht, wenn er sie sähe, würde er instinktiv das Richtige tun, aber irgendwie ist alles ganz anders, obgleich es doch erst wenige Wochen her ist. Sie hat sich verändert, ihre Bewegungen sind schwerer geworden, und um die Taille herum ist sie dicker als früher. Das Blau ihrer Augen hat sich vertieft.
    Sie sieht ihn mit einer Verachtung an, die ganz neu ist. «Wieso?» äfft sie ihn in hartem Ton nach.
    «Laß mich raten», sagt er. «Du bekommst ein Kind.»
    Überraschung reißt sekundenlang ihre Härte auf.
    «Das ist wunderbar», sagt er, und er macht sich
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