Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz
Autoren: John Updike
Vom Netzwerk:
alles nicht mehr. Du kannst jetzt wählen. Du läßt dich von deiner Frau scheiden, die dir zirka einmal pro Monat so furchtbar leid tut, du läßt dich scheiden von ihr, oder du schlägst dir mich aus dem Kopf. Wenn du dich nicht entscheiden kannst, dann bin ich gestorben für dich und dies Kind auch, was jetzt unterwegs ist. Also. Wenn du willst, kannst du jetzt verschwinden.» Ihr wird schwindlig, als sie dies alles ausgesprochen hat, und sie muß weinen, aber sie gibt nicht zu, daß sie weint. Ihre Nase ist ganz naß an beiden Seiten, aber sie wischt sie nicht trocken.
    Er ist nervös, er fühlt, sie wartet auf ein Zeichen, daß er einen Entschluß faßt, daß er sich hat beeindrucken lassen von ihrer Rede. Aber er hat kaum zugehört in Wahrheit. Es ist alles so kompliziert und, verglichen mit einem belegten Brot, höchst unwirklich. Er steht auf mit soldatischer Entschlossenheit, wie er hofft – und sagt: «Das ist fair. Ich werde mich entscheiden. Was möchtest du aus dem Geschäft ha ben?» Ein Sandwich und ein Glas Milch, und dann sie ausziehen, sie aus diesem heißen, total zerknitterten Baumwollkleid pellen und ihren üppig gewordenen, stillen Leib mit der blassen, kühlen Haut betrach ten. Er liebt Frauen im ersten Stadium der Schwangerschaft. Sie haben so etwas Sanftes. Nur einmal jetzt sich in ihr vergraben; er weiß, daß seine Nervenhaare dann alle wieder geglättet sein werden.
    «Ich möchte nichts haben», sagt sie.
    «Oh, du mußt aber essen», sagt er.
    «Ich habe gegessen», sagt sie.
    Er will sie küssen, aber sie sagt: «Nein» und sieht auch wenig einladend aus, so dick und erhitzt und das vielfarbige Haar strähnig und feucht.
    «Ich bin gleich wieder zurück», sagt er.
    Als er die Treppe hinuntergeht, überfallen ihn die Sorgen, Schlag auf Schlag kommen sie, wie der Hall seiner Tritte. Janice, Geld, Eccles’ Anruf, der Ausdruck auf dem Gesicht seiner Mutter – alles klirrt zu scharf gratigen, dunklen Wellen zusammen. Schuld und Verantwortung zerfließen in seiner Brust wie zwei dichte Schatten. Allein der Gedanke an die technische Abwicklung der Angelegenheit – die Auseinanderset zungen, die Telefonate, die Rechtsanwälte, die Geldgeschichten ist so beklemmend, daß Rabbit das Gefühl hat, unmittelbar vor seinem Mund balle sich etwas zusammen. Er kann kaum atmen, und jede Bewegung, selbst der Griff nach dem Türknauf, kommt ihm wie eine riskante Überdehnung eines langen, mechanischen Ablaufes vor, der äußerst ungewiß mit seinem Herzen verbunden ist. Der zuverlässig handgreifliche Türknauf gibt der Berührung nach und dreht sich akkurat herum.
    Rabbits Ängste kondensieren sich draußen an der Luft. Ätherkugeln schierer Nervosität gleiten ihm in den Beinen hinab. Das Gefühl unbe grenzten Raumes um ihn höhlt ihn aus. Er steht auf der Schwelle und versucht, seine Sorgen zu sortieren, versucht, herauszufinden, was es so laut macht. Zwei Gedanken trösten ihn, lassen ein wenig Licht in die un entwirrbare Finsternis dieser unmöglichen Alternative. Ruth hat El tern, und sie wird sein Kind am Leben lassen: zwei Gedanken, die viel leicht ein und derselbe sind, die vertikale Ordnung der Elternschaft, ein e dünne Röhre gleichsam, die in der Zeit steht und unsere Einsamke it ein wenig ableitet. Ruth und Janice, beide haben sie Eltern; mit diesem Gedanken löst er sie beide auf. Bleibt noch Nelson: ein Knoten, an dem er weiterbosseln muß. Auf diesem kleinen Drehpunkt versucht er, alles Übrige zu balancieren und gegeneinander abzuwägen: Janice und Ruth, Eccles und seine Mutter, den richtigen Weg und den angenehmen Weg, den Weg zum Feinkostgeschäft – bunt dekoriert mit au fgestapeltem Obst und von einer nackten Glühbirne beleuchtet – und de n andern Weg, die Summer Street entlang, dorthin, wo die Stadt au fhört. Er stellt sich vor, wie es da aussieht: ein leerer Baseballplatz, d ie dunkle Fabrik, dann ein Bach und auf der ändern Seite eine schlammige Landstraße – er weiß es nicht. Er sieht ein endloses leeres As chenfeld vor sich, und sein Herz schrumpft.
    Er hat Angst, er hat wirklich Angst, und ihm fällt ein, daß er schon einmal Trost gefunden hat beim Anblick von etwas, das wie ein Loch aussieht, aus dem untergründiger Glanz strahlt, und er hebt die Augen zu m Kirchenfenster hinauf. Aber sei es, daß die Kirche arm ist, oder daß die Sommerabende so lang währen oder daß einfach Nachlässigkeit im Spiel ist: die Rose ist dunkel, ein dunkler Kreis in der steinernen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher