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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz
Autoren: John Updike
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sagen, daß nichts dabei ist, erwachsen zu werden, daß gar nichts dazugehört. Nach zehn Minuten wechselt einer von seinen Jungen zur anderen Partei hinüber, so steht Rabbit Angstrom also nur noch mit einem einzigen fünfen gegenüber. Dieser Junge, ein Knirps noch, aber doch schon schüchtern auf eine fügsam-unbefangene Weise, ist der beste von den sechs. Er trägt eine Strickmütze mit einem grünen Pompom, hat sie sich weit über den Kopf gezogen, so daß sie ihm bis auf die Augenbrauen herunterreicht und er ein wenig kretinös aussieht. Er ist ein Naturtalent. Die Art, wie er sich seitlich fortbewegt, ohne eigentlich Schritte zu machen, als werde er von Flügeln getragen: da ist alles dran. Und wie er immer wartet, bevor er eine Bewegung tut. Mit ein bißchen Glück kann er in absehbarer Zeit ein High School-Crack werden. Rabbit weiß, wie's geht. Du steigst die Leiter hinauf, bis du ganz oben bist, und alles jubelt dir zu. Der Schweiß rinnt dir in die Augen, und du kannst kaum noch sehen, und der Lärm umwogt dich und trägt dich weiter, und dann bist du draußen, nicht gleich vergessen zwar, aber draußen, und das ist ein gutes, kühles, freies Gefühl. Du bist draußen, aufgelöst und eingeformt und darüber hinausgewachsen, bis du für diese Jungen einfach ein weiterer Teil des Erwachsenenhimmels bist, der über ihnen hängt in der Stadt, einer, der sich aus irgendeinem kuriosen Grund zur Wolke verdichtet hat und zu ihnen herunterge kommen ist. Sie haben ihn nicht vergessen, sondern, was viel schlimmer ist: sie haben nie von ihm gehört. Dabei war Rabbit zu seiner Zeit bekannt im ganzen Distrikt. In seinem Juniorjahr stellte er einen Bas ketballrekord auf, den er dann in seinem Seniorjahr mit einem neuen brach, und der wurde erst vier Jahre später überboten, das sind jetzt vier Jahre her.
    Er wirft den Ball – mit einer Hand, mit beiden Händen, Füße flach auf dem Boden, aus dem Halbkreis beim Korb, Sprung, weg ist er. Flach und weich steigt der Ball auf. Rabbit freut sich darüber, daß seine Hände noch immer den richtigen Griff haben. Wie aus langem Trüb sinn emporgetaucht, kommt er sich vor. Aber sein Körper ist schwer, und der Atem geht ihm aus. Es ärgert ihn, daß er schlapp macht. Als die fünf Jungen von der ändern Partei anfangen zu murren und langsam zu werden und einer von ihnen, den er versehentlich umrennt, mit ver schmiertem Gesicht aufsteht und geht, gibt Rabbit auf. «Okay», sagt er, «der Alte verschwindet schon.»
    Und zu dem Jungen neben ihm, dem mit dem Pompom, sagt er noch: «Na denn, alter Könner.» Er ist dem Jungen dankbar, der ihm immer noch voll desinteressierter Bewunderung zugesehen hat, als die ändern schon genug hatten, und der ihn mit Rufen angefeuert hat wie: «Mensch! Fabelhaft! Mehr!» Rabbit nimmt sein zusammengefaltetes Jackett und trägt es wie einen Brief in der Hand, während er rennt. Die kleine Straße entlang. An der verödeten Eisfabrik vorbei mit ihren verrotteten hölzernen Ladebäumen an der heruntergebrochenen Ram pe. Mülleimer, Garagentüren, Maschendrahtzäune, die die kreuz und quer geknickten Stengel toter Blumen eingittern. Das Jahr steht im März, Liebe macht die Luft lind. Alles steht an einem neuen Anfang; im bittern Zigarettennachgeschmack noch spürt Rabbit diese neue Chance in der Luft. Er zieht das Päckchen aus seiner hüpfenden Hemdentasche und ohne in seinem Laufschritt innezuhalten, wirft er es in irgendje- mandes offene Mülltonne. Vor Freude über sich selbst kräuselt er die Oberlippe von den Zähnen hoch. Seine großen Wildlederschuhe setzen in langen Sprüngen über den krümeligen Straßenschotter hinweg.
    Er rennt. An der Kreuzung biegt er ab, in eine andere Straße hinein, in die Wilbur Street von Mt. Judge, einem Vorort von Brewer, der fünftgrößten Stadt von Pennsylvania. Er läuft bergauf. An einem Gebäudekomplex entlang mit stattlichen Wohnungen – lauter Festungen aus Zement und Backstein mit Portalen aus buntem facettiertem Glas und Fenstern voller Topfpflanzen – und dann auf halber Höhe der Straße an einem ändern Siedlungsblock entlang, der in den dreißiger Jahren aus dem Boden gestampft worden ist. Dann kommen Holzhäuser, die wie eine frei stehende Treppe den Hügel hinaufklettern. Jedes dieser Zweifamilienhäuser reicht um ungefähr zwei Meter übers vor hergehende hinaus, und in diesem überstehenden Mauerteil sind zwei bleiche Fenster eingelassen, die den weitaufgerissenen Blick eines Tie res haben
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