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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz
Autoren: John Updike
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und drumherum ist eine gemusterte Schindelverkleidung, die farblich von der Schattierung einer Hautprellung bis zu der von Stallmist variiert. Zur Straße hin ist die Schindelwand verwittert und weiß, bis auf die diversen Öffnungen, die jeder Bewohner anders gestrichen hat: grün und dunkelrot und weizenfarben. Es gibt ein Dutzend von diesen dreigeschossigen Häusern, und jedes hat zwei Türen. Die siebte Tür ist die seine. Die Holzstufen, die zu ihr hinaufführen, sind abgetreten. Unterwärts ist ein kleiner Hohlraum, und da, im Schmutz, schimmelt ein vergessenes Spielzeug. Ein Plastikclown. Rabbit hat ihn den ganzen Winter über da liegen sehen, aber er hat immer gedacht, irgendein Kind werde ihn sich schon wieder holen.
    Im kleinen, lichtlosen Flur bleibt er keuchend stehen. An der Decke brennt funzelig eine Sparbirne. Drei Blechbriefkästen hängen leer über dem braunen Heizkörper. Die Tür der Parterrewohnung da drüben auf der anderen Seite des Flurs ist verschlossen wie ein finsteres Gesicht. Und ein Geruch ist im Haus wie alle Tage, aber er kann ihn nie identifizieren; machmal scheint es, als werde irgendwo Kohl gekocht, manchmal, als ströme der Heizofen im Keller seinen rostigen Atem aus, und manchmal, als sei ein sanftes Faulen in den Mauern. Rabbit steigt die Treppe in den obersten Stock hinauf, zu seiner Wohnung.
    Die Tür ist verschlossen. Als er den kleinen Schlüssel ins Schloß steckt, zittert seine Hand, pulst hart vor ungewohnter Anstrengung, und das Metall schrapt aneinander. Aber als er die Tür dann aufgeschlossen hat, sieht er seine Frau mit einem Glas Old-fashioned im Lehnsessel vor dem leisegestellten Fernsehapparat sitzen.
    «Du bist hier !.» sagt er. «Warum ist dann die Tür abgeschlossen?» Sie wendet ihm flüchtig ihre vagen dunklen Augen zu, die gerötet sind vom Fernsehen. «Sie hat sich wohl von allein abgeschlossen.»
    «Hat sich von allein abgeschlossen!» wiederholt er, aber beugt sich doch nieder und küßt sie auf die glänzende Stirn. Janice ist sehr klein und hat eine dunkle, gestraffte Haut, so als trüge sie etwas Schwellendes in sich, das sich gegen ihre Kleinwüchsigkeit stemmt. Gerade gestern, so kommt es ihm vor, hat sie aufgehört, hübsch zu sein. In den Winkeln ihres Mundes haben sich zwei winzige, kurze Falten angesiedelt, und dadurch hat ihr Mund etwas Gieriges bekommen. Und ihr Haar ist dünner geworden. Rabbit muß immer an den Knochenschädel darunter denken. Aber er gibt nicht die Hoffnung auf, daß sie morgen wieder sein Mädchen sein wird. «Wovor hast du Angst? Was glaubst du denn, wer da durch die Tür kommen soll?»
    Er erwartet keine Antwort, faltet sorgfältig sein Jackett auseinander, geht zum Schrank und nimmt einen Drahtbügel heraus. Der Kleider schrank steht im Wohnzimmer, und man kann die Tür nur zur Hälfte aufmachen, weil der Fernsehapparat davor steht. Rabbit nimmt sich in acht, daß er nicht die Schnur herauszieht, die zu einer Steckdose auf der ändern Seite der Tür läuft. Janice, die besonders ungeschickt ist, wenn sie schwanger ist oder betrunken, hat sich einmal mit dem Fuß in der Schnur verheddert und um ein Haar den ganzen Apparat heruntergeris sen: hundertneunundvierzig Dollar – päng! – im Eimer. Gott sei Dank hat er ihn gerade noch halten können, als er mit einem Eckchen noch auf dem Tisch stand und bevor Janice in ihren Panikzustand geriet. Wo durch ist sie so geworden? Wovor hat sie Angst? Mit einer zärtlichen Flinkheit, die den Bewegungen seines Körpers ebenso wie den Gegenständen, die er berührt, wohltut, schiebt er den Bügel in die Armlöcher des Jacketts und hängt ihn ausgestreckten Armes auf die lackierte Stange zu seinen ändern Kleidern. Er drückt die Tür zu, und sie schnappt ein, aber dann geht sie wieder einen Spaltbreit auf. Türschlösser. Es schwärt: seine Hand, die am Schloß herumfummelt wie die eines alten Mannes, und Janice, die hier im Zimmer sitzt und aufs Kratzen des Metalls lauscht.
    Er dreht sich um und fragt: «Wenn du zu Haus bist, wo ist dann der Wagen? Er steht nicht draußen.»
    «Er ist bei meiner Mutter. Du stehst vorm Bild.»
    «Bei deiner Mutter? Das ist die Höhe. Da gehört er ja auch hin, verdammt noch mal!»
    «Was ist denn eigentlich los?»
    «Womit los?» Er tritt vom Fernsehschirm weg zur Seite. Sie sieht einer Schar Kinder zu, die sich Mausketiere nennen und gerade eine musikalische Nummer vorführen, bei der Darlene als Pariser Blumen mädchen fungiert und Cubby als
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