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Harrys Höllen-Cocktail

Harrys Höllen-Cocktail

Titel: Harrys Höllen-Cocktail
Autoren: Jason Dark
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Den Mann muß ich töten!
    Harry dachte es, lächelte breit und schnickte mit den Fingern, als er den Gast an der Tür stehen sah.
    »Siesta?« fragte dieser. Er war Spanier, sehr reich und viermal geschieden. Sein Geld hatte er mit der Herstellung und dem Verkauf von Olivenöl verdient.
    »Nicht für dich, Ramon.«
    »Dann komme ich.« Er nickte, löste sich von der Tür und glättete die Falten seines gestreiften und leicht zerknitterten Anzugs. Es war niemand im Lokal, die chromglitzernde Bar zog ihn wie magisch an. Harry erwartete ihn.
    An der Côte d'Azur war Harry eine Institution. Wer Probleme hatte, der ging zu Harry, denn der hatte stets Zeit, er hörte zu, gab Ratschläge, Kommentare, beugte sich hin und wieder zu einem Gast über die Bar, flüsterte ihm etwas ins Ohr, zog dabei ein bedeutungsvolles Gesicht, so daß andere Zuschauer neidisch wurden und sich wünschten, Harry möge auch mit ihnen so sprechen. Harry war modern. Er war in und lächelte eigentlich immer. Es gab da allerdings einige Abstufungen. Das Lächeln konnte völlig unverbindlich sein, auch strahlend und hell, dann wieder kalt bis eisig. Lauernd, abwartend, nur selten warmherzig. Oberflächlich und trotzdem mit Tiefgang. Harry stritt sich nie, er war stets bereit, sich die Sorgen der Barbesucher anzuhören.
    Harry war eben wer.
    Auch jetzt wartete er lächelnd. Der Spanier hatte einiges hinter sich. Sein Gesicht zeigte eine gewisse Erschöpfung. Seine Hände zitterten, und die Haut wirkte grau. Das Haar war durcheinander gewühlt, sein Blick stumpf. Es war der Blick eines Verlierers.
    Hatte Ramon verloren?
    Harry nahm es an. Er wußte, was Ramon brauchte. Der teure Scotch schimmerte goldbraun im Kristallglas, das Harry über den blankpolierten Tresen rutschen ließ. Genau eine Handbreit vor dem Gast kam es zur Ruhe. Ramon schnappte sofort danach, und Harry beobachtete den Mann, wie er hastig trank.
    Der war fertig.
    Reif, wie Harry immerzu sagen pflegte. Reif für ihn, und das stimmte ihn fröhlich.
    Er ließ den Mann trinken und ging zur Tür, die er abschloß. Um die Mittagszeit kam sowieso niemand. Der große Betrieb an der Küste hatte noch nicht eingesetzt, aber das würde sich in den nächsten Tagen ändern, wenn die Reichen den Schnee leid waren und aus den bekannten Wintersportorten an die Blaue Küste strömten, um die ersten Sonnenstrahlen zu genießen.
    Da kamen dann auch die Mädchen aus den Löchern. Sie rochen es irgendwie. Es waren die Geschöpfe, die den Frühling in Frankreich und den Sommer auf Ibiza verbrachten, immer auf der Suche nach einem Märchenprinzen, der den meisten sowieso nie begegnen würde. Nicht in dieser oberflächlichen Geldgesellschaft, wo sich die gesellschaftliche Stellung des einzelnen nach der Höhe des Bankkontos richtete.
    Harry ging wieder hinter die Bar und rutschte dort auf seinen Stammhocker. Ramon drehte das Glas zwischen den Fingern. Es war leer bis auf den letzten Tropfen. »Du hast abgeschlossen?«
    »Ja.«
    »Weshalb?«
    »Siesta, mein Lieber. Es wird niemand kommen.«
    »Aber ich bin da.«
    Harry lächelte wieder. »Das ist etwas anderes.«
    »Dann gehöre ich zu den Ausgesuchten?«
    »Das stimmt.«
    »Danke.«
    »Du hast Sorgen, nicht wahr?«
    Ramon zog die Lippen zurück und nickte. »Sorgen?« wiederholte er fragend. »Die habe ich tatsächlich.«
    »Welcher Art?«
    »Es ist vorbei.«
    »Wieso?«
    Der Spanier hob die Schultern. »Man hat mich reingelegt. Die Steuer, mein Geschäftspartner. Mir ist nicht mehr viel geblieben.«
    »Wieviel?«
    Ramon hatte den lauernden Unterton in der Stimme des Keepers überhört. »Keine Ahnung. Vielleicht noch Hunderttausend.«
    »Welche Währung?«
    »Dollar.«
    »Das ist in der Tat nicht viel«, stimmte Harry zu, denn er sah dies durchaus relativ. »Sagte ich doch.«
    »Noch einen?« fragte Harry. »Er geht auf Kosten des Hauses.«
    »O danke.«
    Harry goß nach. »Ja«, murmelte er. »Hunderttausend, das reißt tatsächlich niemanden vom Hocker.« Er schob dem Spanier das Glas rüber. »Hast du dir schon Gedanken darüber gemacht, was jetzt werden soll?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Aber du bist zu mir gekommen.«
    »Ja.«
    »Und nicht ohne Grund, wie ich dich kenne. Hat man dir etwas gesagt, hat man dich geschickt?«
    Der Spanier wollte lächeln, es wurde aber nur ein Grinsen. »Muß ich das wirklich noch sagen?«
    Der blonde Harry hob che Schultern. »Du brauchst es nicht, aber vielleicht ist es besser.«
    »Kann sein.« Ramon leerte das Glas.
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