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Harold Shea 01 - An den Feuern des Nordens

Harold Shea 01 - An den Feuern des Nordens

Titel: Harold Shea 01 - An den Feuern des Nordens
Autoren: Fletcher Lyon Sprague & Pratt de Camp
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Laut wahr, der das Heulen eines Hundes — oder eines Wolfes — sein konnte. Als er nach Worten suchte, bemerkte er eine flatternde Bewegung. Zwei schwarze Vögel glitten wie übergroße Krähen an ihm vorbei, ließen sich auf dem trockenen Gras nieder, betrachteten ihn ein oder zwei Sekunden lang aus glänzenden intelligenten Augen und erhoben sich wieder in die Luft.
    »Wo bin ich also?«
    »An den Flügeln der Welt, Nahe Midgards Grenze.«
    »Wo zum Teufel ist das?«
    Die tiefe Stimme klang ein wenig verändert. »Für alle Dinge gibt es eine Zeit, einen Ort und einen Menschen. Nichts von den dreien gibt es für unkluge Fragen und hohle Scherze.« Er wandte Shea eine blau umhüllte Schulter zu, schnalzte zu seinem Pony und setzte sich träge in Bewegung.
    »Hee!« rief Shea. Er fühlte sich ziemlich gereizt. Der Wind ließ seine Finger und Muskeln schmerzen. Er war in arktischer Öde gestrandet, und dieser alte Bock war im Begriff, davonzutraben und ihn seinem Schicksal zu überlassen. Er beugte sich vor und baute sich genau vor dem Pony auf. »Was ist das für eine Art, mit Leuten umzugehen? Wenn ich eine gesittete Frage stelle...«
    Das Pony war stehengeblieben, seine Nüstern berührten fast Sheas Jacke. Der Mann auf dem Rücken des Tiers richtete sich plötzlich auf, so daß Shea erkennen konnte, daß er tatsächlich sehr groß war, fast schon ein Riese. Aber bevor er auch nur Zeit hatte, sonst auch noch etwas zu bemerken, fühlte er sich von dem einen Auge mit fast körperlicher Kraft festgehalten. Ein Strahl intensiver, fast sengender Hitze schien ihn zu durchfahren und sich in seinem Kopf festzusetzen, als wäre sein Gehirn von einem Eiszapfen durchbohrt. Er spürte die Stimme mehr als sie zu hören: »Versuchst du, mich aufzuhalten, Winzling?«
    Und wäre es um sein Leben gegangen, Shea hätte nicht mehr als seine Lippen bewegen können. »Nein«, stammelte er. »Das heißt, ich wollte nur wissen, ob Sie mir sagen können, ob ich irgendwo ins Warme kommen kann...«
    Das Auge hielt ihn, ohne zu blinzeln, einige Sekunden lang fest. Shea fühlte, daß es seine innersten Gedanken prüfte. Dann sank der Mann ein Stückchen in sich zusammen, so daß sein fester Blick verhüllt und seine Stimme gedämpft wurden. »Ich werde heute Nacht am Haus des Bündners Sverre sein, dort, wo die Welten sich kreuzen. Du kannst mir folgen.« Der Wind zerrte an einer Falte seines blauen Umhangs, und in diesem Moment wirbelten Blätter offenbar aus dem Inneren des Umhangs heraus.
    Eines blieb einen Augenblick lang an Sheas Jacke hängen. Er griff es mit tauben Fingern und sah, daß es sich um ein Eichenblatt handelte, frisch und zart mit dem hellen Grün des Frühlings — inmitten dieser ungeheuren Wildnis, wo nur arktische Krüppel-eichen wuchsen!
    Shea ließ das Pony vorbei und folgte seinem Trott, den Kopf gebeugt, mit hochgeschlagenem Kragen, die Hände tief in den Taschen und gegen die Schneeflocken anblinzelnd. Er war zu erfroren, um klar zu denken, aber er versuchte es. Die logischen Formeln hatten ihn offenbar in eine andere Welt geworfen. Aber er brauchte kaum die Bestätigung des alten Graubarts, um zu erkennen, daß es nicht Irland war. Irgend etwas mußte in seinen Berechnungen durcheinandergeraten sein. Konnte er zurück und sie überprüfen? Nein — im Moment hatte er nicht die mindeste Vorstellung, was auf den sechs Blatt Papier gewesen sein könnte. Er würde das Beste aus seiner Situation machen müssen.
    Aber in was für eine Welt war er gestürzt? Eine kalte, bleiche Welt, bewohnt von kleinen zottigen Ponys und grimmigen alten, blaubekleideten
    Männern mit bemerkenswerten Augen.
    Es könnte die Welt der skandinavischen Mythologie sein. Shea wußte sehr wenig über diese Welt, außer daß die Nummer eins hier jemand namens Odin, Woden oder Wotan war, und daß es einen anderen Gott namens Thor gab, der mit einem Vorschlag-hammer nach Leuten warf, die er nicht mochte.
    Sheas wissenschaftliche Ausbildung ließ ihn daran zweifeln, ob diese Götter tatsächlich wie Götter, mit übermenschlichen Kräften, agierten; oder ob er irgendwelche legendären Ungeheuer sehen würde. Aber da war dieser Kältestrahl durch seinen Kopf und die Handvoll Eichenblätter, die einer Erklärung bedurften. Natürlich könnte der Schmerz in seinem Kopf Anzeichen einer kommenden Erkältung sein, und der alte Graubart hatte es sich möglicherweise zur Gewohnheit gemacht, Eichenblätter in seiner Tasche zu tragen. Aber trotzdem...
    Die
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