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Harold Shea 01 - An den Feuern des Nordens

Harold Shea 01 - An den Feuern des Nordens

Titel: Harold Shea 01 - An den Feuern des Nordens
Autoren: Fletcher Lyon Sprague & Pratt de Camp
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überdeckte die sechs weißen Rechtecke. Alle Farben des Spektrums waren vertreten, bemerkte er automatisch, aber es gab eine starke Tendenz zu Violett. Sie wirbelten rundherum...rundherum...rundherum...
    »Wenn weder P noch Q zutrifft oder (Q oder R) zutrifft, dann trifft entweder Q zu oder (P oder R) ist falsch . ..«
    Rundherum und rundherum ... Er konnte überhaupt nichts hören. Er hatte keine Empfindung für Hitze und Kälte oder den Druck der Stahlfläche gegen seinen Körper. Es gab nur Millionen wirbelnder Farbflecken.
    Ja, jetzt konnte er Temperatur spüren. Ihm war kalt. Da war auch ein Geräusch, ein fernes pfeifendes Geräusch, wie Wind, der um einen Kamin streicht. Die Flecken schwanden in einer grauen Fläche. Er empfand jetzt auch einen gewissen Druck gegen seine Fußsohlen. Er streckte seine Beine — ja, er stand auf irgendwas. Aber alles um ihn herum war grau — und bitterkalt; Wind hob seine Rockschöße hoch.
    Er blickte nach unten. Seine Füße waren an der richtigen Stelle — hallo, Füße, nett, euch zu sehen. Aber sie steckten in einem gräulich-gelben Schlamm, der zu kleinen Rändern aufgequollen war. Der Schlamm gehörte zu einem Pfad, gerade etwas mehr als einen halben Meter breit. Auf beiden Seiten begann die grau-grüne Zone sterbenden Grases. Auf dem Gras waren große Schneeflocken wie Kopfschuppen verteilt. Weitere Flocken kamen, wurden als Punkte dunkleren Graus vor dem Hintergrund schweifenden Dunsts sichtbar, fielen in schrägen parallelen Bahnen herunter, wuchsen und trafen mit einem winzigen /sauf dem Pfad auf. Ab und zu landete eine auf Sheas Gesicht.
    Er hatte es geschafft. Die Formel funktionierte.

2
     
    »Willkommen in Irland!« murmelte Harold Shea vor sich hin. Er dankte dem Himmel, daß sein Syllogismobil seine Kleider und seine Ausrüstung mit seinem Körper transportiert hatte. Nackt auf dieser eiskalten Landschaft ausgesetzt zu werden, wäre ihm sicher nicht gut bekommen. Nicht allein der Schnee war für das graue Einerlei verantwortlich. Ein kalter, zäher Nebel schnitt die Sicht in knapp hundert Metern Entfernung ab. Vor ihm bog der Pfad nach links um einen kleinen Hügel, auf dessen Böschung ein Baum sich in dem melancholischen Wind wiegte. Die Arme des Baums streckten sich alle in dieselbe Richtung, ein Hinweis darauf, daß der Wind selten wechselte; die Äste trugen einige Blätter, die ebenso grau und mutlos wie die Landschaft selbst aussahen. Der Baum war der einzig sichtbare Gegenstand in dieser Einöde aus Schlamm, Gras und Nebel. Shea ging auf ihn zu.
    Die gezackten Blätter wiesen die für eine nördliche Krüppeleiche typischen Einkerbungen auf. Aber die wächst nur in arktischen Regionen, dachte er. Er beugte sich gerade vor, um sie genauer zu betrachten, als er das klopp-klapp von Pferdehufen auf dem verschlammten Pfad hinter sich hörte.
    Er wandte sich um. Das Pferd war sehr klein, kaum größer als ein Pony, und es war zottig; ein üppiger Schweif wehte über seinem Widerrist. Auf seinem Rücken saß ein Mann, der in aufrechter Haltung vermutlich sehr groß war, denn seine Füße berührten fast den Boden. Aber er buckelte vor dem eisigen Wind, der ihm in den Rücken blies. Vom Sattel zu den Augen war er in einen blaßblauen Umhang gewickelt. Ein formloser Schlapphut bedeckte sein Gesicht, aber nicht so tief, um die Tatsache zu verbergen, daß er einen grauen Vollbart trug.
    Shea ging ein halbes Dutzend Schritte bis zum Wegrand. Er redete den Mann mit einem Satz an, den er sich vorher für seinen ersten menschlichen Kontakt in der Welt der irischen Mythen zurechtgelegt hatte:
    »Ich wünsche dir die Blüte des Morgens, guter Mann. Ist es wohl weit zur nächsten Herberge?«
    Eigentlich hatte er noch mehr sagen wollen, aber er hielt unsicher inne, als der Mann auf dem Pferd den Kopf hob und ein stolzes, ernstes Gesicht enthüllte, in dem die linke Augenhöhle furchterregend leer war. Shea lächelte dünn, nahm seinen Mut zusammen und fuhr fort: »Ein selten bitterer Dezember, den ihr in Irland habt.«
    Der Fremde blickte ihn mit der gleichen klinischen Sachlichkeit an, die er einem interessanten Fall von Schizophrenie gewidmet hätte, und sprach in schleppendem Tonfall: »Von Herbergen weiß ich nichts, und auch nichts von Irland; aber jetzt ist nicht Dezember. Wir haben Mai, und es ist Fimbulwinter.«
    Lichtes prickelndes Entsetzen erfaßte Harold Shea, obwohl das letzte Wort für ihn keine Bedeutung besaß. Schwach und entfernt nahm sein Ohr einen
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