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Die ersten Zeitreisen

Die ersten Zeitreisen

Titel: Die ersten Zeitreisen
Autoren: Reinhard Heinrich und Erik Simon
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Die dritte Zeitreise
des Timothy Traveller
    oder Von der Macht der Literatur
und der Lesermeinung
1. Timothy Edward Traveller
    war schon im Kindesalter, als ihn alle einfach Tim nannten,
anders als andere Kinder. Während seine Altersgefährten
„Wer hat Angst vorm schwarzen Roboter?“, Verstecken
oder Fußball spielten, saß er zu Hause und
bemühte sich, in die theoretische Physik einzudringen.
Schuld an dieser unnormalen Entwicklung hatte vor allem
sein Urgroßvater, bei dem Timothy wohnte, da die
Eltern fast nie zu Hause waren.
2. Die Eltern
    flogen nämlich beide auf dem Linienraumschiff
„Schnecke“ die Strecke Sonne—Sirius—Sonne: Tims
Mutter hatte auf der „Schnecke“ das Kommando, sein
Vater war Schiffskoch. Der chronische Personalmangel
bei der irdischen Raumflotte ist bekannt; und gerade der
Kommandant und der Schiffskoch sind die beiden wichtigsten
Personen an Bord.
    Jedenfalls waren die Eltern Tim Travellers unabkömmlich
und fast ständig unterwegs, zumal die „Schnecke“
nur mit achteinhalbfacher Lichtgeschwindigkeit flog.
Deshalb lag die Erziehung des kleinen Tim größtenteils
in den Händen seines Urgroßvaters.
3. Der Urgroßvater
    von Tim Traveller arbeitete im Institut für graduelle Unmöglichkeit
an der Akademie der Grenzen des Absurden.
Vielleicht kennt der Leser seine wohl bedeutendste
Arbeit „Neue Perspektiven der Energiegewinnung“, dieeine gigantische Revolution in der Energietechnik herbeiführte
und der Fachwelt völlig neue Ausblicke eröffnete,
da in ihr erstmalig berechnet wurde, welchen ungeheuren
Wirkungsgrad ein Perpetuum mobile bei Temperaturen
unter dem absoluten Nullpunkt hätte, wenn es
ein Perpetuum mobile gäbe und wenn man es unter den
absoluten Nullpunkt abkühlen könnte. [1] Dieser Urgroßvater
nun hatte, wohl im Zusammenhang mit seinem Beruf,
eine seltsame Leidenschaft für die sogenannte Phantastische
Literatur.
4. Die Phantastik
    ist heute ausgestorben, war aber an der Wende vom zweiten
zum dritten Jahrtausend von großer Bedeutung und
schuf die Grundlagen für die Entstehung der Symbolliteratur,
die solch wahrhaft unsterbliche Werke hervorbrachte
wie die des Anton Kornelius — des größten Poeten
des vierundzwanzigsten Jahrhunderts —: „Rotkäppchen
und der Wolf“ und „Dornröschen“. Und obwohl
sich die Phantastik mit dem tiefen Symbolgehalt dieser
Werke nicht messen kann, galt doch gerade ihr das Interesse
von Tims Urgroßvater, das er auch auf den kleinen
Timothy übertrug.
    Es ist anzunehmen, daß dies auch der Grund für Tims
unnormales Verhalten war. In dieser Art Literatur sind
nämlich fast alle handelnden Personen Genies, und fünfjährige
Kinder tun nichts anderes, als bei jeder passenden
Gelegenheit darzulegen, an welchen Stellen sich
Einstein in seiner allgemeinen Relativitätstheorie geirrt
hat und welches der neueste Erkenntnisstand bei der Erforschung
des Hyperraums ist.
    Offenbar hatte Tim Traveller unter dem Einfluß seines
Urgroßvaters all diese Phantastereien wörtlich genommen
und sich bemüht, ebenso wie die Helden dieser Mikrofilme
zu werden. Wenn ihm das auch nicht gelang —
er verstand die Relativitätstheorie auch im Alter vonzehn Jahren noch nicht —, so wäre er ohne diese altertümliche
Literatur wohl kaum auf den Gedanken gekommen,
sich mit dem Problem der Zeitreise zu beschäftigen,
und vielleicht wäre die Zeitmaschine noch immer nicht
erfunden. So aber baute Tim. E. Traveller mit vierundzwanzig
Jahren seine erste funktionsfähige Zeitmaschine.
5. Die Anregung
    dazu hatte er aus dem Buch „Die Zeitmaschine“ geschöpft.
— Das alles läßt sich aus Gründen, die der Leser
noch kennenlernen wird, nur aus den Erzählungen Timothy
Travellers rekonstruieren:
    Tims Lieblingsbuch war „Die Zeitmaschine“ eines gewissen
Herbert George Wells. Dieses Werk bestand aus
zwei inhaltlich völlig verschiedenen Bänden. Der erste
war 1895 erschienen und enthielt eine literarisch recht
anspruchslose, in Ich-Form geschriebene Geschichte
über die Erfindung einer Zeitmaschine und die fiktive
Reise des Autors in die Kreidezeit. Das wesentliche in
diesem Band aber waren zwar sehr verschwommene, an
originellen Ideen jedoch außerordentlich reiche Ausführungen
über das Funktionsprinzip der Zeitmaschine, die
fast die Hälfte des Bandes füllten. Ebendieser erste Band
regte die Phantasie Tim Travellers an.
    Der zweite Band war eine direkte Fortsetzung des ersten
und beschrieb die Reise des Helden in eine düstere Zukunft.
Er war
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