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Titel: Hardware
Autoren: Walter Jon Williams
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Bereitschaft, diese Leute zu bemitleiden, ist ein bißchen begrenzt", sagt Cowboy.
     "Mitleid", sagt die Stimme, "ist nicht das, was sie brauchen."
     
     Sarah mustert Cowboy aufmerksam. Er ist sonnenverbrannt und übel zugerichtet, und erst jetzt, nach einer Nacht voll Schlaf, hat die Spannung nachgelassen, die in den letzten paar Tagen in ihm gesteckt hat, und die fiebrige Intensität ist gewichen. Er legt sich in ihren Armen anders hin und zuckt zusammen.
     "Brauchst du was Schmerzstillendes?" fragt sie.
     Cowboy hebt sein Whiskyglas hoch. "Das ist das einzige schmerzstillende Mittel, was ich im Moment brauche."
     "Vielleicht trinke ich doch einen mit." Sarah langt nach der Flasche und nimmt einen Schluck. "Ich hab' eben mit Michael gesprochen. Er hat mir eine Art Job angeboten."
     "Was für eine Art Job?"
     "Beraterin würdest du's wohl nennen. Er sagt, er vertraut auf meine Verbindungen. Und auf meine Instinkte."
     "Schön, daß er's bemerkt hat." Cowboy reibt sich seine Bartstoppeln. "Wirst du annehmen?"
     "Wahrscheinlich." Belustigung vibriert in ihr wie eine straff gespannte Saite. "Damit bin ich von der Straße weg." Sie grinst, hebt erneut die Flasche und trinkt.
     Sie wird in ein Krankenhaus gehen, denkt sie, und sich mehr Kristall besorgen. Die komplette Santistevan-Aufrüstung, die nicht mehr von Treibsätzen abhängig ist. Feuerwaffen. Taktik in kleinen Kampfverbänden. Und auch nicht bloß Straßenmädchenzeug; sie will Chips für Buchhaltung, Transportwesen, Manipulation des Aktienmarkts. Das, was sie in ihrer neuen Position als Beraterin des Hetman braucht.
     "Du wirst viel unterwegs sein", sagt er.
     Sie schaut ihn vielsagend an. "Ja. Du auch. Wir können uns sehen." Sie haben nämlich eine Kriegsbeziehung, denkt sie, eine Verbindung, die unter Druck zustande gekommen ist... Wenn der Druck fort ist, fällt vielleicht alles auseinander. Weil es Dinge gibt, die sie weiß und von denen sie ihm nichts erzählen kann, und weil sie ein Leben geführt hat, von dem er eigentlich nichts wissen will, egal, was er selbst denkt. Weil er seine eigenen Vorstellungen von der Welt und seinem Platz darin hat, und weil sie diese nicht verstehen kann. Sie werden sich behutsam auf den Frieden und aufeinander einstellen müssen, und zwar in dem Bewußtsein, daß es in Abwesenheit der Dinge, die sie zusammengebracht haben, vielleicht nicht klappt. Auch dafür muß Platz sein: für die Trennung. Oder für das andere. Erst recht für das andere.
     Sie nimmt noch einen Schluck. "Du hast mir versprochen, mir die Espen im Herbst zu zeigen. Und ich hab' nichts als diese Scheißwüste gesehen. Du bist mir was schuldig."
     "Daud", sagt er. Sie spürt einen Hauch von Kälte bei dem Namen, bei dem Klang, mit dem er ihn ausspricht. Sie wissen beide, daß Daud für die gestrige Katastrophe verantwortlich ist, daß auf der steinigen Ebene von Nevada zerstörte Wracks stehen, daß Flugzeugtrümmer unter den schützenden Wellen des Pazifik liegen, daß Männer in Leintuch gehüllt und von einer dünnen Schicht Wüstensand bedeckt sind, alles mit Dauds rauchender Unterschrift. Cowboy wird das nicht vergessen, und in seinem Codex gilt Verrat nicht als Kavaliersdelikt.
     "Ich kaufe ihm ein Ticket." Leichthin, um die Angst zu verbergen. "Ich schaffe ihn weg."
     "Und wenn er nicht geht?"
     Die beruhigenden Worte bleiben ihr im Hals stecken. Denn Verrat ist ein Charakterzug von Daud, und sie hat den Stachel seiner Verrätereien ihr Leben lang gespürt, sich dagegen abgehärtet und sich eingeredet, daß es nur deshalb so war, weil er schwach war, daß er Verrat begehen mußte, um zu wissen, daß man ihm vertraute, und sie hatte ihm immer verziehen... Aber das Verzeihen hatte sie irgendwie angesteckt, als ob Daud zu verzeihen es leichter machte, sich den eigenen Verrat zu vergeben. Sie will Daud nicht um sich haben, will keine lebende Erinnerung an ihre eigene Fähigkeit, die Dinge zu verraten, an denen ihr etwas liegt.
     Sie kann nicht aufhören, ihn zu lieben. Das weiß sie. Aber sie kann aufhören, zu versuchen, er zu _sein_.
     "Er wird gehen", sagt sie. "Ich werde ihm keine Wahl lassen."
     Cowboys Augen sind hart wie Kiesel. "Ich auch nicht."
     Also muß sie Daud zu einem letzten Verrat ermutigen. An Nick. Wenn Nick existiert, wenn dieser nicht bereits Daud verraten hat, indem er ihn für Tempels Zwecke benutzt hat. Ein letzter Verrat. Um sein Leben zu retten.
     Das Telefon summt leise auf der Gabel. Sarah nimmt
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