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Hard Rock Vampir

Hard Rock Vampir

Titel: Hard Rock Vampir
Autoren: Volker Ferkau
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auf dem wir vier zu sehen waren. Meine drei Mitstreiter und ich. Black Morgus ! Die derzeitige Superband, berühmter als Limp Bizkit, System of a Dawn oder Linkin Park und fast so bekannt wie U2 .
    Ich kritzelte mein Autogramm darauf und lächelte sie an. Sie konnte nicht älter als dreiundzwanzig sein und hatte etwas, dass ich mit meiner Musik nicht in Verbindung brachte. Sanftheit und Geist. Glatte blonde Haare, die auf ihre Schultern tippten, ein schmales Gesicht mit Stupsnase und Sommersprossen, Rehaugen, fein geschwungene Brauen und ein Mund – ein Mund wie eine Verheißung. Sie war eine jener Frauen, die offenbar nicht wissen, wie sie wirken. Ihre Kleidung war durchschnittlich und nicht der Rede wert, ihre Figur schmal und vermutlich außerordentlich biegsam.
    Sie war das Äquivalent zu mir.
    Sie war hell und ich war dunkel.
    Dunkle Haut, dunkle Haare, dunkle Augen. Gemeinsam wären wir wie Yin und Yang und unsere Kinder – ich weiß, ich kann keine zeugen, aber man wird doch mal träumen dürfen – wären so schön, dass der Vollmond eine Woche länger leuchten würde als sonst.
    Sie schien meinen langen Blick zu spüren, denn sie sagte, wobei sie ebenmäßige weiße Zähne zeigte: »Eigentlich liebe ich Genesis , aber bei Black Morgu s mache ich eine Ausnahme.«
    »Aha«, entfuhr es mir.
    »Ich weiß, das klingt blöd. Aber deine Musik greift mir direkt in die Seele.«
    Wow, das hatte sie schön gesagt. In die Seele greifen. Am liebsten hätte ich sie an mich gezogen und sie geküsst. Das war selbstverständlich nicht möglich, denn der pure Körperkontakt hätte einen Hunger in mir ausgelöst, der dazu führte, dass ihr mit den Zähnen die Halsschlagader aufriss, um Fetzen aus ihr zu reißen und sie zu trinken, trinken, trinken. Mich an ihr zu besaufen, bis sie wie ein leerer Schlauch zu meinen Füßen lag, atemlos für alle Zeiten, nach dem Orgasmus ihres Lebens . Dem feurigen Höhepunkt des Todes.
    Es war grotesk. Der Kuss eines Vampirs, der endgültige letzte Kuss, führt bei Frauen für gewöhnlich zu einer solchen Ausschüttung von Adrenalin, Serotonin und anderen Stoffen, dass sie in ihrer Lust nicht spüren, wie sie sterben. Wäre ich herzlos, würde ich sagen, dies sei genau der Tod, den man sich wünscht.
    Die junge Frau stellte sich vor. »Eva, ich heiße Eva.«
    »Eva. Ein schöner Name. Hat was Biblisches.«
    Sie kicherte, wobei sich ihr Näschen kräuselte. Lass mich dein Adam sein!, wollte ich anfügen, aber ich schwieg. Schließlich war ich nicht durstig, denn ich hatte meinen Hunger in der letzten Nacht gestillt.
    »Was machst du nach dem Konzert?«, wollte sie wissen.
    Liebe Güte, wie ein Groupie sah sie wirklich nicht aus, oder ich müsste mich sehr täuschen. Wobei wichtig ist, dass ich mich von Groupies fernh ielt , was man von meinen Mitstreitern nicht sagen konnte. Ich suchte mir meine Opfer dort, wo man sie selten vermisste. Unter Brücke, in Stadtparks oder einsamen Gassen. Tom, mein Drummer, kriegt e sich überhaupt nicht ein und h iel t mich für einen Mönch oder so was. Schließlich waren die meisten Frauen scharf auf mich, denn ich war der Gitarrist und Sänger. Frontleute sahn t en stets die besten Muschis ab. Ich hingegen g ing nach einem Konzert ins Hotelzimmer und las Proust; soviel zur offiziellen Version. Was ich tatsächlich tat, behielt ich lieber für mich .
    Sie kicherte erneut. »Nein. So eine bin ich nicht. Aber vielleicht können wir irgendwo einen Kaffee trinken.«
    Kaffee! Sie war wirklich kein Groupie!
    Nur der Teufel weiß, warum ich zusagte. Ich hasse Kaffee und Alkohol ebenso. Beides nehme ich zu mir, wenn es sich nicht vermeiden lässt, und später ist mir so schlecht, dass ich kotze.
    »Ich weiß nicht …«
    »Ich habe Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um an einen Backstage-Pass zu kommen. Nun enttäusche mich bitte nicht.«
    »Okay.«
    Das war’s. Wir hatten ein Date.
    Nach dem Konzert.
    Ich ahnte nicht, dass ich soeben Selbstmord beging. Auch ahnte ich nicht, dass sehr viel Blut fließen würde.
    Die Zukunft ist ein Schatten ohne Anlass.
    Und der Teufel lacht.

2

    In zweihundert Jahren habe ich nur zwei Gefühle erlebt, die es miteinander aufnehmen können. Das eine ist, als Rabe ü ber dem Meer zu fliegen, das z weite ich ein gutes Gitarrenriff. Darin war ich Meister. Ich brauchte nie viele Akkorde, um ein Riff zu intonieren, das zehntausend Zuhörer von den Stühlen riss. Rammbammratsch! Und abschließend ein kleines, feines Feedback, um das
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