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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung
Autoren: Kerstin Rachfahl
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schoss es ihr durch den Kopf. Das irritierte sie, trotzdem schob sie den Gedanken beiseite, als er vorsichtig ein kleines Kästchen auf den Tisch setzte, auf halbe Entfernung zu ihr.
    Hannas Herzschlag beschleunigte sich. Sie konnte den Blick nicht von der Schachtel lösen.
    »Es wäre besser, du würdest es nicht annehmen.«
    Sie starrte darauf, versuchte, nicht zu ahnen, was darin war. Ihre Hand fand ihren Weg wie von selbst auf die Tischplatte, näherte sich millimeterweise dem Kästchen, so vorsichtig, als enthielte es eine Bombe.
    »Tu es nicht.« Er legte seine Hand schützend über die Schachtel. »Lass mich ihm sagen, dass ich sie dir geben wollte und du abgelehnt hast. Er wird es verstehen.«
    Ihre Hand verharrte. Sie hob den Blick, sah in das Gesicht von Oberst Hartmann. »Haben Sie hineingesehen?«
    Schuldbewusst senkte er den Kopf, richtete seine Augen auf das Kästchen.
    »Warum haben Sie es mir gezeigt, wenn Sie nicht wollen, dass ich es annehme?«
    »Weil ich es ihm versprochen habe und weil ich ihn nicht anlügen möchte und weil ich es ihm schuldig bin.«
    Seine Stimme war leise, nur ein Flüstern. Dann hob er die Augen und sah sie fest an. »Hanna, du fängst ein neues Leben an und es gibt nichts, was du von deinem alten Leben mitnehmen kannst, keine Freunde und keine Dinge. – Es gibt nichts, was ihr beide gemeinsam habt, weder in eurem alten noch in deinem neuen Leben. Er ist mein bester Mann, loyal, zuverlässig, konzentriert und kontrolliert in allem, was er macht. Ich brauche ihn fokussiert. In seinem Job kann er sich keine Ablenkung erlauben, weil es für ihn tödlich sein kann. Das willst du doch nicht, oder?«
    Er versuchte es wieder. Hätte er nichts gesagt, hätte er geschwiegen, dann hätte sie Bens Geschenk abgelehnt, nicht wegen Ben, nicht wegen Oberst Hartmann, sondern ihrer selbst wegen. Sie musste diesen Mann vergessen, ihre Gefühle für ihn begraben. Nein, er war kein Mann für sie, das wusste sie nur zu gut. Aber sie hatte es satt, sich von Oberst Hartmann manipulieren zu lassen, nach seiner Pfeife zu tanzen. Sie zog die Schachtel unter seiner Hand hervor und packte sie ungeöffnet in ihre Jacke.
    Für einen Moment saßen sie sich still gegenüber, Oberst Hartmann noch immer die nun leere Hand auf dem Tisch. Er seufzte, schloss seinen Aktenkoffer. Das Einschnappen der Schlösser klang unnatürlich laut in der Stille. An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Ich wünsche dir, dass du als Sabine Schmidt ein ruhiges Leben hast und vielleicht irgendwann jemandem begegnest, den du lieben kannst. Ich weiß, du siehst es anders, aber es war nie meine Absicht, dir wehzutun.«
    »Ich weiß«, entgegnete Hanna leise, »dennoch haben Sie es getan. Es wäre besser gewesen, Sie hätten mich niemals wieder zurück ins Leben geholt.«

3 Rom
    T ief und regelmäßig atmete Hanna ein und aus. Darin bestand die Kunst, während sie hoch oben auf dem Gerüst stand und mit vorsichtigen Strichen die Wandmalerei vom Staub befreite, der darauf lag. Sie wusste, dass unter ihr ein wachsames Augenpaar jede ihrer Handbewegungen verfolgte, was ihr eigentlich hätte Stress verursachen müssen. Nur mit viel Mühe hatte sie den Professor davon überzeugt, dass er ihr die Säuberung des oberen Teils der Wandmalerei überlassen konnte. Nachdem sie beim Fotografieren der unteren Teile festgestellt hatte, wie er auf dem Gerüst immer wieder ins Wanken geriet, hatte sie ihn energisch von dort oben vertrieben.
    »Passen Sie auf, Frau Schmidt! Nicht so fest.«
    Hanna reagierte nicht auf seine Worte.
    »Frau Schmidt!«
    Der Ruf verhallte in der Kirche genauso wie der erste.
    »Sabine!«
    Dieser Schrei wiederum ließ sie erschrocken zusammenzucken. Auch nach all den Monaten fiel es Hanna schwer, auf den Namen Sabine Schmidt zu reagieren. Sie konnte ihn einfach nicht mit sich in Verbindung bringen.
    »Kommen Sie sofort runter von dem Gerüst, Sie zerstören das Bild, wenn Sie es weiter so bearbeiten«, schimpfte der Professor und machte Anstalten, zu ihr hochzuklettern.
    Hastig legte Hanna den Pinsel beiseite und hob die Kamera hoch, die sie vor Beginn der Arbeit neben sich gelegt hatte. Stück für Stück fotografierte sie die Fresken. Dabei veränderte sie die Belichtungszeiten. Sie überlegte, ob sie noch mal herunterklettern und ihr kleines Stativ holen sollte, entschied sich aber dagegen. Das künstliche Licht, aufgestellt für eine optimale Ausleuchtung, entwickelte eine Wärme, die der Wandmalerei Schaden
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