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Undercover

Undercover

Titel: Undercover
Autoren: Patricia Cornwell
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    Patricia Cornwell
     
    Undercover
     
    Ein Win-Garano-Roman
     
     
    Aus dem Amerikanischen von Andrea Fischer
     
    Die Originalausgabe erschien 2008 unter dem Titel »The Front«
     
     
    1. Kapitel
     
    Win Garano stellt zwei Caffe Latte auf den Picknicktisch vor der John F. Kennedy School of Government. Es ist ein sonniger Tag Mitte Mai, der Harvard Square ist voller Menschen. Win hockt sich rittlings auf die Bank, er ist verschwitzt und overdressed mit seinem schwarzen Armani-Anzug und den schwarzen Lacklederschuhen von Prada, deren Vorbesitzer vermutlich tot ist.
    Win schöpfte diesen Verdacht bereits, als die Verkäuferin im Secondhandladen sagte, er könne die »nur selten getragene« Garderobe für neunundneunzig Dollar erstehen. Die Frau zeigte ihm Anzüge, Schuhe, Gürtel, Krawatten, sogar Socken. DKNY, Hugo Boss, Gucci, Hermes, Ralph Lauren. Alles von einem Prominenten, dessen Namen ich nicht nennen darf, und Win fiel ein, dass ein Footballspieler der Patriots vor kurzem bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Achtzig Kilo, eins achtzig groß, muskulös, aber nicht bullig. Mit anderen Worten: ungefähr Wins Statur.
    Er sitzt allein am Picknicktisch und fühlt sich zunehmend unsicher. Studenten und Assistenten - viele in Jeans oder Shorts und mit Rucksack - sitzen in Grüppchen an den anderen Tischen, vertieft in Gespräche, in denen nur sehr selten ein Kommentar über die langweilige Vorlesung fällt, die Staatsanwältin  Lamont gerade im Forum gehalten hat: Das Ende der Nachbarschaftshilfe. Win hatte sie gewarnt, der Titel sei verwirrend, ein nachgerade banales Thema für diese renommierte politische Veranstaltung. Sie wird nicht zugeben, dass er recht hatte. Sie wird nicht eingestehen, dass sie ihn an seinem freien Tag herbestellt hat, um ihn herumkommandieren und kleinmachen zu können. Sich dies und das notieren. X und Y anrufen. Ihr einen Kaffee besorgen. Von Starbucks. Caffe Latte mit Magermilch und Süßstoff. Draußen in der Hitze auf sie warten, während sie im klimatisierten Littauer Center plaudert.
    Verdrossen beobachtet Win, wie Lamont aus dem Backsteingebäude kommt, begleitet von zwei Zivilbeamten der Massachusetts State Police. Dort arbeitet Win als Mordermittler, ist momentan der kriminalpolizeilichen Einheit der Staatsanwaltschaft von Middlesex County unterstellt. Mit anderen Worten, er ist Lamont zugewiesen. Am Vorabend rief sie ihn zu Hause an und eröffnete ihm, er sei mit sofortiger Wirkung von seinen regulären Pflichten befreit. Erkläre ich Ihnen nach meiner Vorlesung im Forum. Bis morgen um zwei. Dann legte sie auf.
    Lamont bleibt stehen, um der örtlichen Redaktion von ABC und dann dem liberalen Radionetzwerk NUR ein Interview zu geben. Sie spricht mit Journalisten vom Boston Globe, von der Nachrichtenagentur AP und dann mit Cal Tradd, einem Harvard-Studenten, der für den Crimson schreibt und sich einbildet, er sei von der Washington Post. Die Presse liebt Lamont voller Hingabe. Hasst sie voller Hingabe. Eine Hassliebe. Die schöne, einflussreiche Staatsanwältin - heute auffällig in einem grellgrünen Kostüm - lässt niemanden kalt. Escada. Aus der aktuellen Frühjahrskollektion. Sieht aus, als sei Lamont kürzlich auf Shoppingtour gewesen, sie trägt fast jedes Mal ein neues Outfit, wenn Win sie sieht.
    Während sie mit Cal Tradd plaudert, marschiert sie selbstbewusst über den gepflasterten Platz, vorbei an gewaltigen Blumentöpfen mit Azaleen, Rhododendren, rosafarbenem und weißem Hartriegel. Cal, ein blonder, blauäugiger Schönling, cool und selbstsicher, niemals hektisch, ohne Sorgenfalten, immer scheißfreundlich. Kritzelt in seinen Block, sagt etwas, und Lamont nickt, dann sagt er wieder was, und sie stimmt ihm erneut zu. Win wünscht sich, der Schnösel würde eine Dummheit begehen und von Harvard relegiert werden. Oder besser noch durch die Prüfung rasseln. Die absolute Pest, der Kerl.
    Lamont verabschiedet sich von Cal, gibt ihren Personenschützern zu verstehen, dass sie ein wenig Abstand halten sollen, und setzt sich gegenüber von Win, die Augen versteckt hinter einer Brille aus grauem Spiegelglas.
    »Ich fand, es lief gut.« Sie greift nach ihrem Caffe Latte, ohne sich bei ihm dafür zu bedanken.
    »Nicht besonders viel Publikum, aber es scheint, als hätten Sie Ihre Sicht der Dinge deutlich gemacht«, sagt Win.
    »Offensichtlich erfassen die meisten Menschen, Sie eingeschlossen, nicht die Tragweite dieses Problems.« Dieser förmliche Tonfall, den
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