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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung
Autoren: Kerstin Rachfahl
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teilen durfte. Die Ungewissheit und die wenige gemeinsame Zeit, die ihnen neben seiner Verpflichtung blieben, als ein Geschenk betrachten. Ihn trösten, auch wenn sie nicht wusste, weshalb. Es würde kein einfacher Weg werden. Nie hatte sie den leichten Weg gewählt.
    Er kam mit einem Kästchen in der Hand zurück und hielt es ihr hin.
    »Was ist das?«
    »Mach es auf.«
    Sie öffnete es. Es lag ein Schlüssel darin.
    »Interessant.«
    »Das ist nicht irgendein Schlüssel.«
    Seine Stimme klang todernst. Hanna biss sich auf die Lippe, unterdrückte ein Lachen.
    Mit zusammengekniffenen Augen musterte er sie. »Du machst dich lustig über mich.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das ist ein Schlüssel für deine Wohnung.«
    »Ja.«
    Hanna nahm den Schlüssel aus dem Kästchen und legte ihn in ihre Hand. »Ja.« Bewusst schlug sie einen leichten Ton an, obwohl ihr Herz anfing zu rasen.
    »Du bist einverstanden?«
    »Ja, wieso nicht? Ich habe keine Wohnung mehr in Berlin, und Maries –« Sie zuckte mit den Achseln. »Da ist mir zu viel los. Außerdem bin ich so näher an meinem Patenkind. Willst du, dass wir uns die Miete teilen?«
    »Nein.« Er nahm ihr Gesicht in seine Hände, küsste sie zärtlich. »Ich möchte, dass sie zur Hälfte dir gehört.«

23 Epilog
    »Und was steht als nächster Punkt auf deinem Plan?«
    Hanna stand, die Arme verschränkt, ein Bein auf einem umgefallenen Baustamm, in sicherem Abstand vor der Hütte, die neu entstand. Obwohl Ben ihr Gesicht nur von der Seite sah, konnte er sie lächeln sehen und wusste, dass die blauen Augen mit dem Blau des Himmels wetteiferten. Sie löste ihren Blick kurz von den Bauarbeiten, warf ihm ein verschmitztes Grinsen zu. Dann veränderte sich die Farbe ihrer Augen, bekam einen leichten Stich ins Violette. Abrupt wandte Hanna sich zurück. Er kannte diesen Blick, kannte seine Bedeutung.
    »Also?«
    »Professor Bartoli hat mir eine feste Stelle an seinem Institut angeboten.«
    Überrascht hob er die Augenbrauen. »Du willst wirklich einen Job als Kunsthistorikerin annehmen?«
    »Wieso nicht?«
    Er zögerte, unsicher, was er darauf antworten sollte und weshalb ihn der Gedanke störte. Egal, ob sie in Rom blieb oder in Berlin lebte, ihre gemeinsame Zeit änderte sich nicht. »Was ist mit deiner Fotografiererei?«
    »Das eine schließt das andere nicht aus.«
    Ein Kribbeln lief über seinen Körper, seine Nackenhaare stellten sich auf. Er kannte dieses Gefühl, wenn er mit ihr zusammen war. Es war nicht neu. Leise trat er an sie heran, bis er die Nähe ihres Körpers spüren konnte, sie aber nicht berührte. »Was verheimlichst du diesmal vor mir?«
    Das Lächeln in ihrem Gesicht verschwand. Sie drehte den Kopf zu ihm um, legte ihn schief. Sie sahen sich in die Augen. Die Geräusche von der Baustelle verschwanden, genauso wie alles andere um sie herum.
    »Mrs. Rosenbaum.«
    Sie wandte sich zu dem Mann um, der mit einem Plan auf sie zukam. Ben hätte ihn erwürgen können, doch er beherrschte sich. Stattdessen verfolgte er die Diskussion über den besten Standort für einen neuen Brunnen, und darüber, ob es nicht besser wäre, die Hütte für die Schule näher am Rand zu platzieren. Der Mann war mit seinen Änderungswünschen nicht erfolgreich. Das hätte Ben auch überrascht. Ruhig hörte sich Hanna seine Argumente an, um dann an dem bisherigen Plan festzuhalten. Mit verkniffenem Gesicht und leisem Murmeln, das sicher kein Kompliment für Hanna bedeutete, entschwand der Mann zur Baustelle. Hanna verschränkte die Arme vor der Brust und grinste still in sich hinein.
    Das Geld für den Wiederaufbau des niedergebrannten Dorfes an derselben Stelle kam von der Sarah Ziegler Stiftung, deren Geschäftsführung Silvia Ziegler übernommen hatte. Es gab einen Erinnerungsstein, in den die Worte einer nigerianischen Lebensweisheit eingraviert waren:
    Es gibt Schönheit mitten im Leiden, Freude in der Trauer, Hoffnung in der Verzweiflung und neues Leben sogar im Tod. Darunter standen die Namen der verstorbenen Kinder: Ifeschi, Moswen, Maalik, Dupe, Saburi, Afya, Tabita, Haiba, Ezeoha, Rabuwa und Tutu.
     
    »Nichts.«
    »Nichts?«
    »Meine Antwort auf deine Frage.«
    Er runzelte die Stirn. Nein, das kaufte er ihr nicht ab. Sie verheimlichte etwas vor ihm. Bens Instinkte hatten ihn nie getrogen, wenn es um Hanna ging. Nur sein Verstand oder seine Gefühle spielten ihm ständig einen Streich. Er öffnete den Mund für eine Erwiderung, bremste sich, atmete tief ein. Sein Pulsschlag
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