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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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aus Regionen, Ländern und Kulturen ist, aber kein Melting Pot , und schon gar keine Hybridnation. Amerika ist wie Europa ein kunterbuntes Sammelsurium unterschiedlicher Staaten, von der politischen Klammer oft nur mühsam zusammengehalten. Und das ist auch der einzige Vergleich zwischen Alter und Neuer Welt, den wir ziehen sollten.

Kirschtortengeheimnisse
    Maxim hatte mich zum Flughafen gebracht, zwei Stunden später landete ich in New York. Ich spürte, wie Panik aufstieg. In zwei Tagen war meine Reise zu Ende, und ich hatte ein Gefühl …
    … ein Gefühl von …
    … ich wusste nicht, was für ein Gefühl ich hatte. Ich wusste nur, dass ich auf keinen Fall allein sein wollte. Wenn man sich in New York einsam fühlt, während 20 Millionen Menschen um einem herumwuseln, braucht man die richtige Telefonnummer. Die hatte ich, und rief Richard Festinger an.
    New York ist die Stadt, die niemals schläft, das weiß jeder. Es ist auch die Stadt mit 2200 Restaurants, davon 172, die rund um die Uhr offen sind. Das weiß vielleicht nicht jeder. Ich wusste es jedenfalls nicht, aber auf Richard war Verlass, wenn es ums Essen und Trinken ging. Ging es um Musik, ebenso. Mit dieser Kombination kommt man ganz gut durch die Stadt.
    Wir hatten uns vor Jahren in Frankreich kennen gelernt, wie es sich gehört in einem Restaurant. Vielleicht wars der Wein gewesen – in Frankreich ist es ja immer der Wein – doch es entspann sich eine lebhafte Unterhaltung über zwei Tische hinweg. Irgendwann saßen wir zusammen beim Eau de Vie . Als Richard hörte, wo ich herkam, sagte er: „Da kann man doch auch gut essen.“
    „Ja“, bestätigte ich, das Übliche erwartend, „ Cherry cake , echt lecker.“
    Aber mit Richard war es anders. Mit „gut essen“ meinte er auch gut essen. So kams, dass wir ein halbes Jahr später zu Dritt durch den Schwarzwald kutschierten: Er, meine Frau und ich. Unsere Fresstour führte uns vom Hinterholz (Geheimtipp!) übers Burgstüble auf der Hohenschramberg (Geheimtipp!) und dem Bareiss in Baiersbronn (kein Geheimtipp, dafür zwei Michelin-Sterne) bis zur Traube Tonbach (erst Recht kein Geheimtipp und drei Michelin-Sterne). Danach waren wir 10 Pfund schwerer, und um die Ersparnisse einiger Jahre erleichtert, aber glücklich und zufrieden. Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, die wir mal hier, mal dort auf der Welt fortsetzten.
    Und heute in einer von New Yorks 535 Sushi-Bars. Mit meinem Konbu-Seetang kämpfend, stellte ich die Frage, die ich schon immer hatte stellen wollen.
    Ich fragte Richard, wie es früher gewesen war.
    Mit früher meinte ich Woodstock. Richard hatte daran teilgenommen. Nicht unten im Schlamm, sondern oben auf der Bühne. Neben Joan Baez, als ihr Lead Guitarist .
    „Oh, oh, die alten Zeiten“, kam die Antwort. „Weißt du, die sind vorbei.“
    Aber ich ließ nicht locker, während meine Essstäbchen aus Seetang Seetangpüree machten. Der Grund ist einfach: Es hat mich immer beeindruckt, wie es einer Generation gelang, in so vielen Bereichen neue Wege zu beschreiten. In der Musik – was bei Woodstock geschah, beeinflusste die Jugend der Welt noch lange danach. In der Literatur – was Timothy Leary schrieb, trieb die Leute auf die Straße, um gegen einen ungerechten Krieg zu demonstrieren, und das auch noch mit Erfolg. Vielleicht suchte ich einfach nach Beispielen, die den bösen aber wahren Satz von W.H. Auden entschärften: „Nothing I wrote in the thirties“, sagte der Dichter, „saved one Jew from Auschwitz.“
    Jetzt, nach dem Abgang von George W. Bush, stapelten sich in den Buchhandlungen Amerikas Werke, die ihn und seine Regierung an den Pranger stellten. Die schon im Titel ihre Absicht zu Markte trugen: „The Prosecution of George W. Bush for Murder“ von Vincent Bugliosi schaffte es in Windeseile auf die Bestsellerliste der New York Times, genauso wie „United States versus George W. Bush“ von Elizabeth de la Vega oder „American Fascists: The Christian Right and the War on America“ von Chris Hedges. Doch während seiner Zeit als Präsident war nichts passiert. Kein impeachment , keine Amtsenthebung, der sich Nixon nur durch Rücktritt hatte entziehen können.
    „In den 60ern und 70ern“, sagte Richard, „lagen die Dinge anders. Der Protest hatte persönliche Konsequenzen, doch damals haben den wenige gescheut. Es wurden ja nicht nur Leute wie Norman Mailer aus dem Verkehr gezogen. Vielleicht haben wir deshalb was erreicht. Doch eine Erkenntnis kam
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