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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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erst später: Du änderst immer nur die Umstände, nie die Gesellschaft. Und so verschwand nach Watergate die politische Linke wieder von der Bildfläche, während die Mitte nach rechts driftete. Darauf konnte Reagan bauen, darauf baute Bush Senior, und sein Junior halt auch.“
    Richard teilte mir seine Erfahrungen häppchenweise mit. Nach der Sushi-Orgie zogen wir nach SoHo, und in einer Kneipe mit dem harmlosen Namen „Fanny's Place“ sagte er: „Jetzt, wo keiner mehr die Hand über sie hält, landen einige von Bushs Beratern wahrscheinlich vor Gericht. Karl Rove, der ehemalige Stabschef. Oder Alberto Gonzales, der ehemalige Generalstaatsanwalt.“ Beide hatten noch während der Amtszeit von Bush den Hut nehmen müssen. Rove nannte die Zeitung „Die Welt“ „die personifizierte Skrupellosigkeit.“ Über Gonzales urteilte der englische „Guardian“, „seine Amtsführung war für Amerika eine einzige Tragödie.“
    Ich hörte zu, während ein nicht mehr ganz junges Geschöpf, das Franz ähnlicher sah als Fanny, Liza- Minelli-Songs in einer Falsettstimme intonierte.
    Vielleicht behielt Richard Recht. Dana Priest, die 2002 in der Washington Post die CIA-Folterungen in Guantanoma Bay aufdeckte, verlangte dieser Tage einen „Nürnberger Prozess“ für die gesamte Bush- Cheney Regierung. So etwas hat es in der Geschichte der Vereinigten Staaten noch nie gegeben.
    „Wenn das passiert“, sagte Richard an der Bar des „Brass Monkey“ in die Lower East Side, „haben wir doch mehr geändert als nur die Umstände.“
    Auf der Bühne rotzte eine Band Punkrock, als ob's kein Morgen gäbe. Und so musste ich zweimal nachfragen, bis ich den Rest des Satzes verstand.
    „Dann besteht auch Hoffnung“, sagte er, „dass der Irak-Krieg endet.“
    Darauf stießen wir an. Richard mit einem „Velvet Hammer“, Wodka satt mit Crème de Cacao. Und ich mit „The Lolita“, Raspberry Wodka, Triple Sec, Cranberry Juice und einer Kirsche darauf.
    „Wir haben noch immer starke Selbstreinigungskräfte“, sagte er. „Die brauchen ihre Anlaufzeit, so will es das Präsidialsystem. Aber sie sind wach.“
    Dadurch wurde Amerika auch immer wieder zum Land, dass sich neu erfinden kann. Richard selbst gab ein gutes Beispiel dafür ab.
    „Joan“, sagte Richard, „singt heute noch die alten Lieder. Kann man machen. Muss man aber nicht.“
    Er war den amerikanischeren Weg gegangen und hatte sich neu erfunden: Vom Rockrebell zum angesagtesten Komponisten für Neue Musik.
    „Schaffst du das“, fuhr Richard fort, „sagen andere: Wenn der Festinger das kann, kann ich das auch.“
    Dann passiert Wandel. Er ist der eigentliche Motor Amerikas. Mir gefällt das, denn Wandel lag mir schon immer näher als Stillstand.
    Am nächsten Nachmittag spuckte mich ein gelbes Taxi am JFK-Flughafen aus. Um mich tobten ein Haufen Leute, die irgendwo hinwollten, oder von irgendwo herkamen. Wie viele Geschichten, wie viele Hoffnungen, wie viele Maxim's, wie viele Employment authorized und wie viele Träume, die zerbrachen? Mir wurde ganz schwummrig. Dann dachte ich, wie ich meine Reise in Los Angeles begonnen hatte, was alles passiert war, und da wurde mir noch schwummriger. Dabei war ich noch nicht einmal im Flughafengebäude. So konnte es nicht weitergehen. Ich schob alles weg, und gedachte statt dessen John Travoltas Kindheitserinnerungen.
    Das ist immer eine gute Idee.
    Die stammen von hier, vom JFK-Flughafen, genauer gesagt, vom TWA-Terminal. Das gibts zwar nicht mehr nach dem Bankrott von Amerikas Vorzeigefluglinie im Jahr 1995. Aber Johns Andenken an die silbernen Vögel, denen er mit Sehnsucht im Herzen nachschaute, hatte die Pleite nicht wegwischen können. Ein Erlebnis, welches ihn zum Fliegen brachte. Kaum aus den Windeln, erwarb er eine Fluglizenz, baute sich ein Haus mit eigener Landebahn, stellte eine Boeing 707 und eine 747 davor, dazwischen einen Gulfstream II Jet, und nannte das Ganze Fly-in-Home . Von hier aus pflegt der Herr morgens zu Dreharbeiten zu starten, um abends wieder pünktlich zur Tagesschau daheim zu sein. Es geht eben nichts über einen Hang zur Häuslichkeit.
    Meine erste Kindheitserinnerung hebt nicht so hoch ab. Aber ich erinnere mich an meinen Kinderwagen. Das war ein Teil mit großen Rädern dran. Ich lehnte mich hinaus und sah fasziniert zu, wie diese sich bewegten. So kanns weitergehen, dachte ich, mit Chauffeur und jeden Augenblick woanders. Bin ich deshalb zum Nomaden geworden? Wenns auch nie wieder zu einem
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