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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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Fahrer gereicht hat, wie es mir Sir David Lean vormachte, der Regisseur von Filmklassikern wie „Doktor Schiwago“, „Lawrence von Arabien“ oder die „Brücke am Kwai“? Der legte seine Weltreisen standesgemäß im Rolls Royce zurück, bequem auf dem Beifahrersitz. Vielleicht bei der nächsten Amerikadurchquerung, dachte ich, aber dann in die andere Richtung, hinunter nach Feuerland.
    Doch erst einmal gings nach Hause, und das in der Holzklasse. Ich gab mein Gepäck auf, ließ mich von einer Handvoll Sicherheitsschnullis von oben bis unten filzen, während gleich neben uns ein flinker Inder unbemerkt durch die Absperrung flitzte. Danach hatte ich zwar Zeit, aber keine Lust auf den letzten Hot Dog und die immergleichen Shops mit den immergleichen Sachen drin. Statt dessen studierte ich die Abflugtafel: Peking war im Angebot, Athen, Casablanca, Paris, Mexico City, Seoul, Tokio. Und das alles in der nächsten halben Stunde. Mir wurde schon wieder schwummrig.
    Also ging ich doch zur Würstchenbude.
    „A Hot Dog please“, sagte ich.
    Der Verkäufer schaute auf. Seine Vorfahren kamen wahrscheinlich aus der Ukraine, den schottischen Highlands oder Kalkutta. Vielleicht hatte er diese Orte noch gesehen, bevor ihn Amerika mit offenen Armen empfing, natürlich mit einem employment authorized, denn sonst gibt es keine Arbeit am Flughafen. Jetzt sagte er im breitesten Amerikanisch, dass ich einen komischen Akzent hätte.
    „Where you come from?“, wollte er wissen.
    Die Ansage gab bekannt, dass mein Flieger einsteigebereit sei. Gebrechliche, Kinder, und die Pinkel der Businessklasse durften als Erste rein.
    „Schwarzwald“, antwortete ich. „Black Forest.“
    „Oh“, sagte er, „Black Forest …“, und ich sagte, „genau, Cherry Cake , und jetzt verrate ich dir ein Geheimnis. Das weiß sonst keiner in Amerika: Die Schwarzwälder Kirschtorte stammt nicht aus dem Schwarzwald. Ja, da staunst du. Konditormeister Josef Keller aus Radolfzell hat sie zwar als Erster zubereitet, im Jahre des Herrn 1927, aber weit weg vom Schwarzen Walde in Bad Godesberg bei Bonn. Und? Was jetzt?“
    Ich biss in meinen Hot Dog. Der Verkäufer sah mich mit großen Augen an, und die Ansage gab kund, dass nun auch das Fußvolk an Bord gebeten wurden.
    Dann grinste er. „Cherry Cake“ , sagte er. „Hör ich heut’ zum ersten Mal. So was kann man essen?“
    Wahrscheinlich stand mir der Mund offen, was mit Hot Dog drin kein gutes Bild macht. Dann fiel mir ein Stein vom Herzen. Endlich war das letzte Vorurteil über Amerika und die Amerikaner ausgeräumt. Es gab noch Leute, denen der Black Forest mit seinen süßen Torten völlig unbekannt waren. Nun konnte ich getrost nach Hause fliegen.
    „And you?“, fragte ich noch. „Where do you come from?”
    „Brooklyn“, antwortete er, doch sein Großvater stamme aus den Anden; Peru oder Bolivien, das wisse er nicht so genau.
    Ich lobte ihn für seinen Hot Dog, nicht für sein Geschichtsbewusstsein. Dann verabschiedete ich mich. Im Flieger begrüßte mich eine Flugbegleiterin mit „Grüß Gott“, und ließ mich wissen, dass mein Platz „do vorne isch.“
    Zwanzig Minuten später hoben wir ab. Ich schlief ein.
    Frankfurt, dann Stuttgart, dann Schramberg im Schwarzwald. Hier hatte Arthur Junghans 1890 den Wecker erfunden, und damit der Menschheit die Möglichkeit gegeben, sich selbst zu versklaven. Jetzt hatte ich das Gefühl, die Zeit war seit meiner Abreise stehen geblieben. Ich sah tannenbewachsene Berge mit Burgen darauf, ich sah das freundliche Städtchen im tiefen Tal, ich wusste, dass ich in jeder Konditorei Schwarzwälder Kirschtorte bis zum Abwinken bekam.
    Es fühlte sich nach Heimat an.
    Irgendwie.

Die Macht des Wandels
    Als ich im Mai meine Reise begann, lag Barack Obama in allen Umfragen weit vor seinem Rivalen John McCain. Am Tag meines Geburtstages, am 26. Juni, ich war gerade unterwegs Richtung Las Vegas, verzeichnete der Republikaner ein historisches Tief: Nur noch 41 Prozent wollten ihn im Weißen Haus sehen. Je weiter mich aber meine Fahrt Richtung Osten trug, desto mehr änderten sich die Umfrageergebnisse. Und ganz so, wie der Reiseschriftsteller Richard Grant feststellte, „dass auf jeder langen Reise der Punkt kommt, an dem es einem so dreckig geht, dass man nichts mehr will, nicht mal mehr nach Hause“, erging es mir in Washington – am Tag, als McCain Obama in der Wählergunst überflügelte. Sein Schachzug war Sarah Palin gewesen, die erzkonservative
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