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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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ohne Sauerstoffflasche. Da kann einem schnell die Luft ausgehen.
    „Weshalb?“, fragte ich.
    „Sie wollen ein Zeichen setzen“, antwortete Jonas.
    Weil auch die Stadtverwaltung Zeichen setzte. Mit millionenschwerer Unterstützung soll das L.A. Bridges Anti-Gang-Program junge Leute von der Straße holen. Grund ist, dass Gangverbrechen in den letzten Jahrzehnten zur Epidemie wurden. Wer zwischen 30 und 35 Jahre ist und männlich, hat statistisch gesehen schlechte Überlebenschancen. 80 Prozent aller Mordopfer entsprechen diesem Profil. Zum Glück hatte ich schon ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel. Die Statistik sprach für mich, die Neugierde weniger.
    „Ich würde gern mal mit denen um die Ecken ziehen“, sagte ich. „Meinst du, das lässt sich arrangieren?“
    Nach einem kurzen nap – dem kalifornischen Äquivalent zur siesta – begleitete ich Jonas zum Tempel der Rockmusik. Das Musician Institute MI öffnete seine Pforten in den späten 70er-Jahren. Wer in diesem Business eine große Nase werden wollte, konnte hier Gitarre, Bass, Keyboard, Schlagzeug oder Gesang studieren. Es gab sogar einen Gitarren-Reparatur- Studiengang, obwohl mir Jonas versicherte, dass die Zeiten, als Leute wie Pete Townsend von The Who nach jedem Konzert ihr Instrument zertrümmerten, eigentlich vorbei waren.
    „Eigentlich vorbei“ heißt, Spaß macht's aber noch immer. Und dann ist es gut zu wissen, wie man das Ding wieder zusammenschraubt.
    Der Rocktempel lag am Hollywood Boulevard. Um dorthin zu kommen, mussten wir an einem nicht weniger erfolgreichen Tempel vorbei, der Church of Scientology Mission of Melrose .
    Schnieke, schnieke, dachte ich, L. Ron Hubbards Hollywood-Residenz. Musste wohl sein, wenn man prominente Schauspieler wie Tom Cruise und John Travolta in den eigenen Reihen begrüßen konnte.
    „Jedes Mal quatschen mich die Schlümpfe an, ob ich ihren bescheuerten Test machen will“, schimpfte Jonas, und ließ keinen Zweifel daran, was er von den Scientologen hielt.
    „Die sehen halt, dass Gitarrenzertrümmerer wie du Beistand benötigen“, antwortete ich. „Da ist zuviel Dampf unterm Deckel.“
    Jonas grinste. Dampf unterm Deckel ist eine Notwendigkeit für jemand, der in der Hall of Fame ankommen möchte. Wie viele Amerikaner glaubte auch mein Freund felsenfest an seinen Erfolg. Der Job als Dozent und die zahlreichen Bandprojekte waren lediglich das Sprungbrett dafür.
    Wir schlenderten am Scientologytempel vorbei, und ein junger Mann fragte höflich, ob wir reinkommen wollten.
    Wir wollten nicht. Wir sagten, dass wir lieber Gitarren zertrümmern. Das Gesicht des jungen Mann blieb unbewegt. Er wandte sich dem nächsten Passanten zu.
    „Roboter!“, zischte Jonas. „Glaubst du, die Anmache hat Erfolg?“
    „Scientology behauptet, sie haben 8 Millionen Mitglieder in Amerika“, antwortete ich.
    Doch eine Untersuchung der City University of New York war zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen. Danach waren es bloß 55000.
    „Aber denk mal nach“, fuhr ich fort. „Wie viele Gitarrenspieler gibt es auf der Welt, und wie viel Lärm machen die?“
    Jonas boxte mich in die Seite. „Man sollte sich nie mit Schriftstellern anfreunden“, sagt er. „Die drehen einem ständig das Wort im Mund rum. Ich werde dir zeigen, was Lärm machen bedeutet.“
    Sollte ich in meinem nächsten Leben als Stromgitarrenspieler reinkarniert werden, will ich auch am MI studieren. Jonas führte mich durch die Tonstudios, das Filmstudio für Musikvideos, die Übungskabinen, in denen Studenten mit Kopfhörern auf den Ohren ungestört von lärmempfindlichen Nachbarn üben konnten. Natürlich warfen wir auch einen Blick ins Gitarrenkrankenhaus. Dort arbeitete Joe Alonzo, und als ich ihn fragte, ob er immer gut zu tun habe, lachte er.
    „Wir reparieren nicht nur, wir bauen customized guitars . Spezialanfertigungen. Die meisten lieben ihr Instrument zu sehr, um es kaputtzuschlagen. Zertrümmern ist schwer aus der Mode gekommen.“
    Hatte Jonas also Recht gehabt. Nachdem er mir mit seiner Klasse noch eine Nachhilfestunde in Sachen Lärm gegeben hatte, überließ ich ihn seinem 120-Dezibel-Job. Mich zog es dahin, wo seit Jahr und Tag die starken Männer ihren Bizeps spielen lassen: An den Strand.
    Los Angeles liegt am Meer, doch mitunter kann man das vergessen. Man kann das sogar sehr gut vergessen, weil Tag für Tag eine Smogglocke über der Stadt hängt. Eigentlich trägt die russische Industriestadt Dserschinsk den Titel der am meisten
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