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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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schlenderten über den Strip, bogen in eine Nebenstraße ab. Ziemlich schnell wurde es ziemlich duster. Ein paar Blocks weiter war nichts mehr zu sehen von Bright Light Big City . Jonas steuerte ein Gebäude an, das mich an Norman Bates’ Haus erinnerte. Der Türsteher sah mich mit ebenso stechendem Blick an wie Hitchcocks Psychokiller, so dass ich ein „Hy Norman, heute schon geduscht?“ nicht unterdrücken konnte. Bevor Norman die rechte Antwort fand, war ich Jonas in die Katakomben gefolgt. Infernalischer Lärm schlug uns entgegen. Auf der Bühne tobte eine Punkband, davor hüpfte eine dampfende Meute, als ob's kein Morgen gäbe.
    „ !“, rief mit Jonas ins Ohr. Ich verstand kein Wort. „ES GIBT BIER!“, brüllte er. Und fügte hinzu, was es sonst noch alles gäbe. Es fehlte an nichts.
    Am Ende der Nacht war klar: Das Las Vegas von heute ähnelt dem Las Vegas von Bugsy Siegel. Es hat sich nur in die dunklen Ecken verzogen. Dorthin, wo family values keinen interessieren.
    Ich ging gar nicht zurück ins Hotel, sondern gleich zum Flugplatz. Nicht zum International Airport, sondern auf eine kleine Piste außerhalb der Stadt. Um 5:30 Uhr hatte ich einen Helikopterflug gebucht, da war ich wohl nicht bei Sinnen gewesen. Aber ich wollte den Hoover-Staudamm sehen, die Canyonlands dahinter, und die Sonne über dem Grand Canyon aufgehen.
    Der Hoover-Damm staut den Colorado, den größten und wichtigsten Fluss im Südwesten der USA. Von einigen Umwegen abgesehen hatte ich vor, eine Zeitlang seinem Verlauf zu folgen: Von Nevada nach Arizona hinein in den Mormonenstaat Utah. Was konnte also besser sein, als sich die Sache von oben anzusehen?
    Kaum abgehoben, rieb ich mir die Augen. Erwähnte ich, dass Las Vegas in der Wüste liegt? Und dass eine herausragende Eigenschaft von Wüste ein Mangel an Wasser ist? Kaum aber zogen wir die erste Schleife über der Stadt, sah ich nur noch eines: Swimmingpools, soweit das Auge reichte. Und das reichte ziemlich weit. Wie in allen amerikanischen Städten zogen sich die suburbs endlos hin. Inmitten dieser braunen Landschaft lagen Tausende grüner Quadrate. Auf jedem Quadrat stand ein Einfamilienhaus, vor jedem Haus ein Pool. Ein paar Tausend blaue Tümpel blitzten aus der Wüste empor, und irgendwie wirkte es, als sähe ich die Stadt durch die drogenverhangenen Augen von Jonny Depp in „Fear and Loathing in Las Vegas“.
    Vielleicht wars auch so, dass sich Realität und Alptraum immer näher kamen. Gestern hatte mir Jonas erzählt, dass Vegas den sagenhaften Altersdurchschnitt von 34 Jahren erreicht hatte. Und der Traum jedes nouveaux riches war das eigene Häuschen mit eigenem Pool. Ist ja verständlich an einem Ort mit Sommertemperaturen von über 40 Grad Celsius. Die Frage war nur: Wo kam das Wasser her? Nur ein kleiner Teil stammte aus dem Colorado.
    Als wir mit Karacho über den Hoover-Damm preschten – kleiner Test, ob mein Magen was aushielt – lag der Fluss tief eingeschnitten in einer kolossalen Gesteinsformationen unter uns. Kein Zweifel, hier hatte kosmisches Karate stattgefunden. Wie sonst konnte sich Wasser so tief in hartes Gebirge fressen? Sicherlich gab es geologisch einwandfreie Antworten, aber ehrlich gesagt waren mir diese beim Anblick dieses Naturwunders egal. Ebenso schnuppe waren mir auf einmal die Pappmaché-Wunder von Vegas. Und völlig gleichgültig alle Einarmigen Banditen dieser Welt. Befreit von jeglicher Spielsucht hielt ich den Atem an, und das blieb so, bis wir wieder landeten. Da halte ich es gerne mit dem Sturmund- Drang-Dichter Wilhelm Heinse, einem der wilden Zeitgenossen Goethes. 1780 schrieb er, angesichts des Rheinfalls von Schaffhausen: „Das Wirbeln und Sieden und Schäumen in der Tiefe, mit dem Brausen und dem majestätischen erdbebenartigen Krachen dazwischen, da müssen alle Tiziane, Rubense und Vernets vor der Natur zu kleinen Kindern und lächerlichen Affen werden.“
    Das passte hierher. Die atemberaubende Schönheit der Natur ist es auch, was ich an Amerika am meisten liebe. Du verlässt die Stadt, und tauchst in eine Landschaft ein, die den Namen Wildnis noch verdient. Das war in Vegas so, das war in Denver so, das war in San Franzisko so, in Los Angeles, in Chicago, ja, selbst in New York. Während es in Deutschland kaum ein Fleckchen Erde gibt, welches nicht in irgendeiner Weise genutzt wird, bieten die Staaten weite Regionen, in denen einfach nichts ist. Und für mich war es schon immer das Schönste, viel Nichts um mich zu
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