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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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sagte Jonas. „Du kannst in den Casinos dein Geld verzocken. Du kannst deiner Lady Hörner aufsetzen. Aber ein Bier kannst du nicht kriegen.“
    Im Gegensatz zu Old Europe , wo Saufen Volkssport wurde, ist Alkohol in den Staaten verpönt. Kauft man sich ein Bier im Liquor Store , wird die Dose verschämt in eine braune Tüte gesteckt. Öffentliches Trinken auf der Straße kostet richtig Geld, wenn man sich erwischen lässt. Restaurants müssen fully licensed sein, sonst schenken sie nur süßes Pappzeug aus. Alles in allem eine gute Sache. Wer sich am Wochenende in bundesdeutschen Fußgängerzonen seinen Weg durch Junggesellenabschiede bahnen muss, sehnt sich nach amerikanischen Verhältnissen.
    Trotzdem wollte ich jetzt mein Bierchen. Mit wenig Hoffnung machten wir uns auf die Suche nach einem Zapfhahn, und am Ende landeten wir im Kühlschrank. Das war zwar nicht der Name des Restaurants, aber es fühlte sich so an. Im Kühlschrank hatte es 15 Grad Celsius, und aus jeder Ecke pfiff kalter Wind. Dafür konnte man für eine Handvoll Dollar futtern, soviel reinpasste. Natürlich gabs kein Bier, aber wunderbare Getränke in der Geschmacksrichtung Chemieunfall.
    „Die blasen reinen Sauerstoff in die Restaurants“, sagte Jonas. „Das hält die Leute wach. Schließlich soll man spielen. Sie drehen auch die Temperaturregler in den Keller. So schlägt keiner Wurzeln.“
    „Was ist mit dir“, fragte ich. „Zockst du nie?“
    Jonas hatte regelmäßige Auftritte in Las Vegas. Nicht mit der Rockband, seinem Traum von Ruhm und Reichtum. Sondern in der Fantasieuniform einer Showkapelle, die Songs von Dean Martin und Frank Sinatra imitierte.
    „Es gibt zwei Wege aus diesem Gebäude: Über das Gerüst oder in Handschellen. Beide sind riskant.“ Jonas zitierte wieder Matrix, also wusste ich, wie Ernst ihm die Sache war. „Das gleiche gilt fürs Casino. Da gibts auch nur zwei Wege raus: Ohne Geld, oder pleite.“
    Auf dem Weg zu seinem Auftritt beobachtete ich die Leute. Ich sah viele lachende Gesichter. Geldverlieren machte offenbar Spaß. Ganze Großfamilien schlenderten an mir vorbei, drei Generationen auf einmal. Frauen-Kaffeekränzchen, die ihre Urlaubskasse auf den Kopf hauten. Angestellte, Singles, junge Pärchen. Ganz klar, Las Vegas hatte sich gewandelt in den letzten Jahren. Dabei hatte alles recht bescheiden angefangen. Als der Bundesstaat Nevada 1931 das Glücksspiel legalisierte, übernahm die Mafia die heruntergekommene Ansammlung Farmhäuser an einer Eisenbahnkreuzung mitten in der Wüste. Der Mann mit der Vision hieß Bugsy Siegel, und sein Traum war ein Luxushotel mit integriertem Spielcasino. So etwas gabs noch nicht, und sein Konzept ging tatsächlich auf. Das Geld kam rein, doch Bugsy selbst hatte wenig davon, denn ein Mafiakiller erschoss ihn mit einer Schrotflinte, während er die Los Angeles Times studierte. Was nicht zur Annahme verführen sollte, dass Lesen grundsätzlich ungesund ist. Nach dem Mord erklärte das Nationale Verbrechersyndikat, der Zusammenschluss der Mafiafamilien, Las Vegas zur offenen Stadt. Das hieß, alle Familien durften sich geschäftlich „engagieren“. Mit der Folge, dass bis in die 70er und 80er-Jahre Vegas in einem Atemzug mit Prostitution, Drogen, Geldwäsche und Mord genannt wurde. Als die Mafia schließlich aus dem Verkehr gezogen wurde, übernahmen nicht weniger schillernde Figuren, wie der Flugzeugmagnat Howard Hughes, das Ruder. Erst in den 90er Jahren läutete die Stadt den Wertewandel ein: Sauber wollte man werden, Spaß und Vergnügen für die ganze Familie bieten. In family values sahen die großen Hotel-Casinos eine einzigartige Möglichkeit, neue Zielgruppen in die Wüste zu locken. Die Strategie ging auf. Wie Tausendundeine Nacht glitzert der Las Vegas Strip , und allein die 60000 Hotelzimmer, die an dieser Straße liegen, sind fast immer ausgebucht. 38 Milliarden Dollar pro Jahr setzt die Stadt um – das ist mehr als das Bruttoinlandsprodukt von Liechtenstein, dem europäischen Bruders des Zockerparadieses.
    Bunt und familienfreundlich war auch die Show, in der Jonas die Gitarre zupfte. Irgendwie erinnerte sie mich an „Ein Kessel Buntes“, die Samstagabendunterhaltung der DDR. Den Leuten gefiel es trotzdem. Wahrscheinlich, weil keiner der Musiker sein Instrument zertrümmerte.
    „Lust, was Rechtes zu sehen?“, fragte er mich hinterher.
    Er wollte nicht wissen, was ich von seinem Auftritt gehalten hatte. Wahrscheinlich kannte er die Antwort schon. Wir
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