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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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haben.
    Blieb also nur noch die Frage zu klären: Wie kam Las Vegas zu seinem Wasser, und was passiert, wenn man in gleicher Geschwindigkeit weiterbaut? Weil ich niemand Kluges in der Stadt kannte, der mir darauf Antworten geben konnte, blieb nur Jonas übrig, der Gitarrenzertrümmerer. Zu meiner Überraschung wusste er Bescheid.
    „Pipeline“, sagte er. „Hoch nach White Pine. Die haben Grundwasser, das will Vegas anzapfen. Bis jetzt gaben die Umweltbehörden kein grünes Licht, aber du kannst deinen Arsch darauf verwetten, das kommt wie's Amen in der Kirche.“
    „Klingt“, sagte ich, „als hättest du in der Schule aufgepasst.“
    „Klingt“, erwiderte Jonas, „als hätte ich „Chinatown“ gesehen.“
    Im Film von Roman Polanski kommt Jack Nicholson als Privatdetektiv Jake Gitte einem Wasserversorgungsskandal auf die Spur. Leider vermasselt er alles, was der Grund ist, weshalb man den Streifen zum Genre Film Noir zählt.
    „ Film Noir heißt, nahe an der Realität zu sein“, sagte Jonas. „Im Irak kämpfen wir Amerikaner ums Öl. Hier kämpft jeder gegen jeden ums Wasser.“
    „Vielleicht sollte man ein paar Pools ablassen“, warf ich ein. Auf diese clevere Idee waren aber auch schon andere gekommen. In seinem Essay für den Sierra Club über Las Vegas unter dem Titel „Too many people in the wrong place celebrating waste as a way of life” 2 , beschrieb der amerikanische Schriftsteller Mike Davis die Zukunft der Stadt. Wenn nicht bald jemand den Wasserhahn zudreht, prophezeit er, wird in Kürze wieder die Wüste das Sagen haben. Da mochte Bush während seiner Amtszeit noch so oft „The American Way of Life“ als nicht diskutierbar beschwören – die Trockenheit interessierte das alles herzlich wenig.
    „Ich komm seit fünf Jahren in die Stadt“, sagte Jonas.
    „In dieser Zeit hats nie geregnet.“
    „Das erinnert mich daran“, erwiderte ich, „dass ich ins Death Valley will.“
    „Bist du bescheuert?“, rief er. „Da ist es ja noch trockener. Da gibts doch rein gar nichts.“
    Wie recht er hatte.
    „Eben drum“, sagte ich. „Darum will ich hin.“
    __________________
    1      Money Band: Eine Musikgruppe, die nur für eines gut ist – zum Geld scheffeln.
    2      Too many people in the wrong place celebrating waste as a way of life – zu viele Leute am falschen Ort verschwenden zu viele Ressourcen.

Unabhängigkeitstag
    Endlich, nach Stunden einsamer Fahrt, ein Schild. Die Klimaanlage lief auf Hochtouren, ich hatte die Seitenfenster mit Tüchern verhängt, trotzdem lief mir der Schweiß in Strömen hinab. Ich wischte ihn mir aus den Augen. Was stand da? „Don't give hitchhikers a lift!“ Nimm keine Anhalter mit. Na, so was. Da kutschiert man ewig durch die Wüste, stirbt fast vor Langeweile, weil im Radio außer den Gehirnwäschesendungen fundamentalistischer Prediger nichts kommt – und da soll man ein armes Schwein am Wegesrand bei 50 Grad Celsius einfach stehen lassen? Schöne Menschenfreundlichkeit!
    Ich hatte weitere 100 Kilometer Zeit, um mir über Sinn und Unsinn des Schildes Gedanken zu machen. Dann flimmerte am Horizont eine Fatamorgana, silbern und unwirklich. Ein paar Minuten später wurde ein riesiger Gebäudekomplex daraus. Nochmals ein paar Minuten später kam ein Zaun, fünf Meter hoch und stacheldrahtbewehrt, alle 50 Meter von einem Wachturm unterbrochen. Was zum Teufel war das? Ein Schild gab Auskunft: „Ely State Prison“ stand darauf. Darunter ein erneuter Hinweis, auf keinen Fall Anhalter mitzunehmen. Jetzt fiel bei mir der Groschen. Aber wie stellten die sich das vor? Ein Knacki kratzt sich mit dem Löffel durch die Mauer wie einst der Graf von Montecristo, stellt sich dann an die Straße, wartet Stunde um Stunde, bis einer vorbeikommt, hält den Daumen raus und fragt höflich, ob man ihn mitnehmen möge – bevorzugt nach Süden, nach Mexiko, weil schon Jimi Hendrix sang:
    Way down to Mexico
I‘m goin’ way down south
I‘m goin’ way down south
Way down where I can be free. 1
    Komisch, nicht wahr? Träumen die Menschen im Land der Freiheit von der Freiheit, ist immer Mexiko im Spiel. Verstohlen warf ich Blicke auf das Monstergefängnis in der Wüste. Eine unbarmherzige Sonne knallte auf die Gebäude. Was immer die Leute da drin verbrochen hatten, jetzt waren sie im Vorhof zur Hölle angelangt. „Maximum security prison“ , nennt sich das Ely State. Viele der 1000 Gefangenen sind zum Tode verurteilt und warten da drin auf ihre Exekution. Aus
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