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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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dem Radio plärrte ein Heiliger der Letzten Tage, das Ende sei nahe, wir sollten bereuen und büßen und vor allem seiner Kirche viel Geld spenden, und ich fragte mich, ob nicht auch der religiöse Fundamentalismus vieler Amerikaner für ihre übervollen Gefängnisse mitverantwortlich ist. Da gibt es beispielsweise eine Region, groß wie Zentraleuropa, die nennt sich der Bible Belt . In diesem Bibelgürtel hat der ultrakonservative Protestantismus das Sagen. Den 95 Thesen, die Luther ans Hauptportal der Schlosskirche zu Wittenberg genagelt hatte, fügte man im Bible Belt eine ganze Schippe hinzu. So gibt es in Texas, Kansas, Virginia, Tennessee, Oklahoma oder Florida – alles Bibelgürtelstaaten – die kuriosesten Gesetze. Man kann ja darüber lachen, dass man in Hastings, Nebraska, vorschreibt, jedem Hotelgast ein sauberes und geplättetes Nachthemd zur Verfügung zu stellen. Es bleibt einem aber im Halse stecken, wenn man den Grund dafür kennt. Ehepaaren ist es unter Strafe verboten, zusammen nackt im Bett zu liegen. Sex unter verheirateten Menschen wird in Hastings, Nebraska, erst legal, wenn sich die Ehepartner saubere und geplättete Nachthemden übergezogen haben. Überhaupt, Nacktheit ist verpönt: In Minnesota darf niemand nackt schlafen, egal ob verheiratet oder nicht. In Florida – ausgerechnet Florida – ist nackt duschen verboten. Gut, nicht? Nevada verbietet Sex ohne Kondom. In Washington und Florida sind außer der guten alten Missionarstellung alle anderen untersagt. Gefängnis droht, wenn man in diesen Staaten die Brüste seiner Ehefrau küsst, Oralverkehr hat, oder gar der Sodomie frönt. In Massachusetts müssen Frauen beim Sex per Gesetz immer unten liegen. Geben sich in North Carolina Mann und Frau in einem Hotel als Ehepaar aus, sind sie mit sofortiger Wirkung verheiratet. Mein absoluter Favorit aber stammt aus Connorsville, Wisconsin: Dort ist es illegal für einen Mann, sein Gewehr abzufeuern, wenn seine Frau einen Orgasmus hat. Ich hege den Verdacht, dass auch ohne dieses Gesetz in Connorsville, Wisconsin, verdächtige Stille herrscht.
    Druck erzeugt Gegendruck, lehrte uns Newton. In Amerika sorgen falsche Moral, oft zitierte und nur selten gelebte family values , und viele unsinnige „dastut- man-nicht-Regeln“ für eine Menge Druck. Der Gegendruck findet dann an Orten wie dem kalifornischen San Fernando Valley statt, dem Hollywood der Pornobranche. Dort wird alle 20 Minuten ein neues Video produziert, der jährliche Umsatz knackte 2007 die 100 Milliarden-Dollar-Grenze. Das ist mehr Bimbes, als Microsoft, Google, Amazon, eBay, Apple und Earth Link zusammen umsetzen. Ob Bill Gates sich hin und wieder fragte, ob er aufs falsche Pferd gesetzt hat, weiß ich nicht. Ob er ein Gewehr abfeuert, wenn seine Gattin zum Höhepunkt kommt, auch nicht.
    Ich habe schon einige Wüsten im Auto durchquert, aber eine, die „Tal des Todes“ heißt, sorgt automatisch für Respekt. Darum hatte ich vor, früh morgens anzukommen, wenn die Temperaturen noch nicht das Thermometer zum Schmelzen bringen. Das bedeutete aber, ganz früh morgens den Wecker stellen zu müssen. So gut wie möglich machte ich es mir im Auto bequem, was vergebliche Liebesmüh war. Ich weiß nicht, wie manche Leute es fertig bringen, darin zu schlafen. Vermutlich haben sie Gummiknochen oder eine zehnjährige Yoga-Ausbildung. Ich kann weder mit dem einen noch dem anderen dienen. Also summte ich Bill Anderson, der klingt wie Elvis mit einem Stück Seife im Mund, „this feeling getting stronger. I can't wait any longer“ , klemmte mich wieder hinters Steuer, um weiter gen Westen zu fahren, dem Todestal entgegen.
    Das Death Valley trägt seinen Namen nicht umsonst. Es ist der trockenste und lebensfeindlichste Ort in einem Teil Amerikas, in dem kein Mangel an Wüsten herrscht. Trotzdem präsentierte sich mir eine faszinierende Landschaft, vor allem am Zabriskie Point, mit einem Becher Kaffee in der Hand. Hier gefällt es mir nicht nur, weil erstklassige Filme wie Michelangelo Antonionis gleichnamiges Roadmovie gedreht wurden, oder Bono von U2 darauf bestand, das Coveralbum von „The Joshua Tree“ an genau der Stelle aufzunehmen, wo ich jetzt saß. Sondern weil das Tal unter mir ständig die Farben wechselte, von grau über tiefblau zu violett nach orange. Als die Sonne höher stieg, wurde ein leuchtendes Gelb daraus. Ich wandte mich dem Mann zu, der fünfzig Meter von mir entfernt in einem Regisseurstühlchen kauerte, und ehrfurchtsvoll
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