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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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wie ich dem Farbenspektakel zusah.
    „ You like some coffee? “, rief ich weltgewandt hinüber, und er rief zurück, danke, gerne, warum auch nicht. Wir rückten aufeinander zu wie zwei Hunde, die sich erst beschnuppern müssen. Nach der üblichen Platte – yes, Germany, Black Forest, Black Forest Cherry Cake – war das Eis geschmolzen. Er sagte, er heiße Tom Moe, und käme aus Indian Springs, zwei Autostunden von hier. Wir schüttelten uns die Hand.
    „Verbringen Sie häufiger einen Morgen hier draußen?“, fragte ich.
    „Welchen Tag haben wir?“, antwortete Tom mit einer Gegenfrage.
    „4. Juli“, sagte ich. „Unabhängigkeitstag.“
    „Und was passiert da?“
    „Jubel, Feste, Feuerwerk“, antwortete ich. „Falls Sie das meinen.“
    „Das meine ich“, sagte Tom. „Vor allem Feuerwerk.“ Er schwieg, und ich nutzte die Gelegenheit und schenkte Kaffee nach. Das Todestal war jetzt in gleißendes Licht getaucht. Ein heißer Wind fegte die letzten Erinnerungen an das Morgenwunder weg. Ich spürte Sand zwischen den Zähnen.
    „Vor zwei Jahren kam ich aus dem Irak zurück“, sagte Tom unvermittelt. „Seither hasse ich Feuerwerk.“
    Oje, dachte ich, eine Kriegsgeschichte. Es fällt mir nie leicht, mich mit Veteranen zu unterhalten. Das kommt davon, wenn man Weltpolizei spielen muss, möchte ich dann gerne sagen, und das ist kein gern gehörtes Argument. Trotzdem bin ich immer erstaunt, wie wenig – im Gegensatz zu Vietnam – die Kriege im Irak und Afghanistan öffentliches Thema sind. Nach Vietnam hatte Uncle Sam eine halbe Million Soldaten geschickt, viele unfreiwillig. Das brachte die Protestbewegung in Fahrt, vor allem, als immer mehr Söhne von Politikern und Prominenten unter fadenscheinigen Gründen vom Wehrdienst befreit wurden.
    Im Irak und in Afghanistan liegt die Truppenstärke zwar auch bei 180000 Soldaten, doch sind das Professionelle. Präsident Richard Nixon hatte 1973 auf Anraten des Wirtschaft-Nobelpreisträgers Milton Friedman die Wehrpflicht abgeschafft. Heute zahlen die Anwerber von Armee, Marine und Luftwaffe solchen Leuten um die 30000 Dollar, und locken dazu mit guten Löhnen, günstigen Häusern und attraktiven Krankenversicherungen. Viele Rekruten, die dem Angebot erliegen, stammen aus ländlichen Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit. Diese Art von „Freiwilligkeit“ lässt sich also auch diskutieren. Bei Tom wars nicht anders gewesen.
    „Ich war verheiratet, wir hatten zwei Kinder, ich war arbeitslos“, sagte er. „Das Ganze schien ein guter Deal zu sein. Vom Irak sprach noch kein Mensch. Fünf Monate gingen ins Land, und alles sah anders aus.“
    Belief sich die durchschnittliche Einsatzzeit der Soldaten in Vietnam auf 12 Monate, sind es heute zwei bis drei Jahre.
    „Bei mir warens drei“, sagte Sam. „Als ich nach Hause kam, hatte ich den Anschluss verloren. Ich dachte, die Leute quatschen Tag und Nacht über nichts anderes als Krieg. Statt dessen war Janet Jackson Thema Nummer Eins, weil sie in der Halbzeit vom Super Bowl eine Titte gezeigt hat. Ich konnte es nicht fassen!“
    Janets Skandalauftritt – in Europa wäre es nicht mal ein Skandälchen gewesen – verdrängte 2004 für Monate alle Schlagzeilen. In Anlehnung an Watergate kreierten die Medien das Wort „Nipplegate“, man mag es kaum glauben. Bush konnte nichts Besseres passieren. Hatten nach dem 11. September noch 80 Prozent der Amerikaner seiner Außenpolitik zugestimmt, waren es 2004 winzige 35 Prozent. Doch die rechte Brustwarze von Michael Jacksons kleiner Schwester brachte für lange Zeit alle Kritiker zum Verstummen.
    „So ist Amerika“, sagte Tom. „Oder gibts das bei euch auch?“
    „Auf keinen Fall“ zu sagen ist immer leicht. Aber ich konnte mir beim besten Willen keine prominente Brustwarze vorstellen, der es gelingen würde, die Umtriebe einer ganzen Regierung aus den Schlagzeilen zu nehmen.
    „Ich war dumm“, fuhr Tom fort. „Als ich zurückkam, war meine Frau über alle Berge. Einen Job gabs nicht. Viele Leute auf einem Haufen hielt ich nicht mehr aus, und wenn irgendwo ein Feuerwerk abgeht, krieg ich Muskelkrämpfe.“
    Er sagte das ganz ungerührt, aber ich konnte sehen, wie es in ihm brodelte. Post-traumatic stress disorder , nennt man diesen Zustand. Über die Hälfte der heimkehrenden Soldaten sollen zu keinem bürgerlichen Leben mehr fähig sein. Wer „Rambo“ gesehen hat, weiß, was das heißt.
    „Deshalb“, sagte Tom, „ist das für mich der richtige Ort, um
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