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Heute morgen und fuer immer - Roman

Heute morgen und fuer immer - Roman

Titel: Heute morgen und fuer immer - Roman
Autoren: Anke Greifeneder
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Kapitel 1
    Spieglein, Spieglein an der Wand ...
    »Was machen Sie denn da?«, fragte ich mit schläfriger Stimme die beflissene Kosmetikerin, die mich in ein großes Handtuch gewickelt hatte und aus dem Hintergrund mit Walgesängen beschallte.
    »Ich habe Ihnen nur noch schnell die Augenbrauen gefärbt, damit Sie mehr Ausdruck bekommen«, säuselte sie leise. »Das ist so ein Steckenpferd von mir ...«
    Mir schwante Übles - und gegen den Duft des ätherischen Lavendelöls ankämpfend richtete ich mich, so gut es ging, auf und verlangte nach einem Spiegel.
    Ich konnte den Schrei nicht unterdrücken. Wo eben noch zwei rotblond geschwungene Augenbrauen wuchsen, standen jetzt zwei fette schwarze Balken.
    »Ich seh aus wie Theo Waigel, machen Sie das wieder weg, ich habe heute Abend ein Konzert!«
    Jessica, so stand es auf dem mintgrünen Kittel zu lesen, wurde nervös. »Das geht nicht einfach wieder weg, das verblasst in zwei bis drei Wochen ...«
    Mein Blick sollte ihr Angst machen.
    »Im Konzert ist es doch dunkel ... das fällt bestimmt nicht auf ...«, versuchte sie mich zu beruhigen.
    Meine Beherrschung war dahin. »Meine Liebe, ICH gebe das Konzert, ich bin Pianistin!«
    Das Handtuch umgeschwungen und in Frotteebadelatschen rannte ich aus der Kabine in den Eingangsbereich, um das Ausmaß der Katastrophe bei Tageslicht zu begutachten. »Vielleicht fällt das ja nur Ihnen selbst so sehr auf!« Die Beschwichtigungsversuche der Kosmetikerin verpufften, als ich geradewegs meiner älteren Schwester Helene und ihrem Sohn Max in die Arme lief, die gekommen waren, um mich abzuholen. Entsetzt verzog sich Helenes Gesicht.
    »Krass, was hast du denn mit deinen Brauen gemacht?«, prustete mein zwölfjähriger Neffe getreu dem Motto »Teeniemund tut Wahrheit kund« los. »Das Publikum wird denken, Mr. Bean tritt auf ...«
    Ha, ha! Sehr witzig! Mein zorniger Blick ließ ihn auf der Stelle verstummen. Helene, pragmatisch wie immer, verkniff sich das Lachen und inspizierte die Haarbalken aus der Nähe. Dann drehte sie sich in aller Seelenruhe zu Jessica, deren Gesichtsfarbe inzwischen dem Farbton ihres Kittels glich, und fragte unaufgeregt freundlich: »Jessica, Kindchen, was können wir tun? Meine Schwester tritt in wenigen Stunden vor sechshundert Menschen auf, die viel Geld für eine Eintrittskarte bezahlt haben. Sie möchten doch auch, dass die Leute sich auf die Musik und nicht auf diese geteerten Augenbrauen konzentrieren, nicht?«
    Jessica nickte panisch. »Blondieren geht nicht, da werden sie orange, hm, wenn ich sie ausdünne vielleicht ... oder wir kleben falsche auf, dann müssen wir ihre allerdings abrasieren ...«
    Bei »abrasieren« protestierte ich lautstark. Helene nahm meine Hand, tätschelte sie beruhigend und flüsterte Jessica zu: »Schätzchen, abrasiert wird nichts, finden Sie 'ne andere Lösung. Meine Schwester leidet vor jedem Konzert unter großem Lampenfieber, da kann sie schon eine Kleinigkeit aus dem Konzept bringen. Normalerweise hat sie irre viel Humor und würde über diese kleine Panne herzlich lachen!«
    Ich hatte mich wohl verhört? Kleine Panne? Die beiden Büsche über meinen Augen, die bereits ein Eigenleben führten und denen ich im Begriff war einen Namen zu geben, waren keine kleine Panne, sondern eine Riesenkatastrophe! Bevor ich Schnappatmung bekam, schob mich Helene in die Kabine zurück und suchte mit Jessica und den herbeigeeilten Kolleginnen nach einer Lösung. Ich sah in den Spiegel, meine roten langen Locken saßen perfekt, mein blasser Teint mit den Sommersprossen strahlte, meine hellgrauen Augen leuchteten, nur Ernie und Bert, meine neuen schwarzen Begleiter, zerstörten das Bild. So sah keine Sirene aus, die Tausende und Abertausende in ein Konzert lockte. Verzweifelt starrte ich mein Spiegelbild an. Eigentlich war ich nicht sonderlich eitel, eher der natürliche Typ, der ohne großen Aufwand gut aussieht, aber kurz vor Konzerten lagen meine Nerven wirklich blank. Es half auch nicht gerade, dass Jasper heute ins Konzert kommen wollte. Vor einigen Wochen hatten wir uns im Museum Brandhorst kennengelernt. Zu gut erinnerte ich mich, wie ich die verstörend wahrhaftig wirkende Skulptur einer gebärenden Frau mit neugeborenem Säugling auf dem Bauch betrachtete, als plötzlich eine Stimme neben mir sagte: »Nur keine Angst, in Wahrheit tut das nicht so weh! Wäre doch zu schade, wenn sich so attraktive Frauen im besten Alter durch so 'ne Plastik abschrecken ließen, Kinder zu
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