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Halskette und Kalebasse

Halskette und Kalebasse

Titel: Halskette und Kalebasse
Autoren: Robert van Gulik
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seinen Schreibtisch.
    »Oh nein. Ich wurde vor zehn Tagen in die Präfektur beordert, um den Präfekten in einem Schmuggelfall zu unterstützen, der meinen Bezirk betraf. Er hat mich und meine beiden Gehilfen Ma Jung und Tschiao Tai ganz schön auf Trab gehalten. Deshalb erteilte er mir die Erlaubnis, unsere Rückreise nach Pu-yang gemächlich zu gestalten. Wir hatten vorgehabt, ein paar Tage hier zu bleiben. Doch als wir heute morgen in das Dorf Kuan-timiao kamen, bat uns der Dorfälteste, etwas gegen die Wildschweine zu unternehmen, die ihre Ernten vernichteten. Da Ma Jung und Tschiao Tai vortreffliche Jäger sind, ließ ich sie zurück, um sie ihr Glück versuchen zu lassen, während ich weiterritt. Sie sollen übermorgen wieder zu mir stoßen. Ich beabsichtige, hier eine Ruhepause einzulegen und vielleicht ein bißchen zu angeln. Streng inkognito, natürlich.«
    »Ausgezeichnete Idee, Richter! Wo haben Sie übrigens die Kalebasse her?«
    »Ein Souvenir, das mir jener Dorfälteste aufgedrängt hat. Sie ziehen dort besonders große Kürbisse in Kuan-ti-miao. Meister Kalebasse hielt mich deswegen irrtümlicherweise für einen reisenden Arzt!«
    Der Hauptmann blickte seinen Gast nachdenklich an. »Ja«, sagte er langsam, »in Ihrer gegenwärtigen Aufmachung könnte man Sie leicht mit einem Doktor verwechseln.« Nach einer kleinen Pause fuhr er fort: »Meister Kalebasse muß enttäuscht gewesen sein, als er erfuhr, daß Sie kein Arzt sind. Er weiß eine Menge über Heilkräuter und spricht gern darüber.«
    »Um ehrlich zu sein«, sagte Richter Di ein wenig verlegen, »ich habe ihn in seinem Irrtum belassen. Das ersparte mir nämlich eine lange Erklärung. Wer ist er eigentlich?«
    »Eine Art Philosoph, er ist vielleicht seit vier oder fünf Jahren hier. Lebt wie ein Eremit in einer Hütte irgendwo im Wald. Trinken Sie noch eine Tasse!« Der Hauptmann kratzte sich an der Nase. Er warf dem Richter einen raschen Blick zu und fuhr fort: »Nun, wenn Sie wirklich eine ruhige Zeit in unserer Stadt verbringen wollen, rate ich Ihnen, sich an Ihre Arztrolle zu halten. Da dies ein Sonderbezirk ist, treiben sich hier alle möglichen Arten von Regierungsagenten herum, und Ihr Inkognito könnte, äh... sozusagen mißdeutet werden. Ich war selbst einmal Spezialagent und kenne deren Mentalität!«
    Der Richter zupfte an seinem Schnurrbart. Als Bezirksbeamter auf Besuch würde er offizielle Höflichkeitsvisiten machen müssen, in voller Amtstracht und mit Flügelkappe - und beides befand sich noch in Kuan-ti-miao in seinem schweren Gepäck. Natürlich konnte er sich auch hier eine Garnitur ausleihen und eine Amtssänfte mieten, aber all dem hatte er gerade für ein paar Tage entrinnen wollen... Hauptmann Sju bemerkte sein Zögern und fuhr rasch fort:
    »Ich werde alles für Sie regeln, Herr Richter! Sie haben wirklich ein paar Tage Ruhe verdient. Habe alles über den Fall des buddhistischen Tempels gehört, den Sie in Pu-yang gelöst haben. {1} Erstklassige kriminalistische Arbeit! Jetzt lassen Sie mich mal überlegen. Ja, ich kenne einen im Ruhestand lebenden Arzt in der Hauptstadt, Liang Mo ist sein Name. Großer Bursche, langer Bart. Lungen- und Leberspezialist.« Er zog ein Blatt Papier zu sich heran, tauchte seinen Schreibpinsel in Tusche und notierte rasch ein paar Zeilen. »Sie haben selbstverständlich ein wenig Medizin studiert, ja? Gut! Kann ich Ihr Ausweisdokument haben?«
    Richter Di zog das Papier aus seinem Reitstiefel und legte es auf den Schreibtisch. »Ich glaube nicht...«, begann er. Aber der Hauptmann war in das Studium des Dokuments vertieft. Dann sah er auf und rief:
    »Könnte nicht besser sein! Geburtsdatum paßt ungefähr!« Er klopfte mit seinen Fingerknöcheln hart auf den Schreibtisch und schrie: »Liu!«
    Der Leutnant kam sofort herein, offenbar hatte er unmittelbar vor der Tür gewartet. Der Hauptmann gab ihm seine Notiz zusammen mit Richter Dis Ausweisdokument. »Stellen Sie ein neues aus, auf diesen Namen, Liu. Aber nicht zu neu, ja?«
    Der Leutnant salutierte und ging hinaus. Hauptmann Sju legte seine Ellbogen auf den Schreibtisch. »Tatsache ist, ich habe ein kleines Problem, Herr Richter«, sagte er ernst. »Ihr Inkognito würde mir helfen, es zu lösen.
    Würde nicht viel von Ihrer Zeit in Anspruch nehmen, und Sie täten mir einen enormen Gefallen! Sie haben natürlich einen viel höheren Rang als ich, aber da unsere Arbeit sozusagen ähnlich ist... Es wäre mir eine unschätzbare Hilfe! Ich sage
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