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Halskette und Kalebasse

Halskette und Kalebasse

Titel: Halskette und Kalebasse
Autoren: Robert van Gulik
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des Kassierers wahrscheinlich ziemlich schnell fassen würde. Die Militärpolizei war in der Regel sehr tüchtig, obgleich ihre Methoden gegenüber denen der Zivilbehörden als primitiv galten.
    Mehr Gäste fanden sich ein, und Richter Di schnappte einige Bruchstücke ihrer Unterhaltung auf.
    »Wei redet Unsinn«, sagte ein älterer Ladenbesitzer. »Tai Min war kein Dieb. Ich kannte schon seinen Vater, den alten Lebensmittelhändler.«
    »Straßenräuber hätten ihn niemals angegriffen, wenn er nicht eine Menge Silber bei sich gehabt hätte«, warf ein junger Mann ein. »Und er hat sich mitten in der Nacht aus der Stadt geschlichen. Der Hufschmied hat es mir selbst erzählt. Tai lieh sich ein Pferd von ihm. Er müsse einen kranken Verwandten besuchen, sagte Tai.«
    Sie ließen sich am anderen Ende des Raumes nieder.
    Der Richter schenkte sich eine weitere Tasse Tee ein. Er hätte zu gerne etwas über die früheren Lebensumstände von Meister Kalebasse gewußt. Der alte Mönch schien ein gebildeter Mann zu sein. Immerhin waren taoistische Mönche nicht an irgendwelche Klosterregeln gebunden, und es war ihm bekannt, daß viele ältere Gelehrte, die alleinstehend und von der Welt desillusionien waren, deren Wanderleben aufnahmen. Im Teehaus drängten sich mittlerweile die Menschen, wirres Stimmengemurmel erfüllte den Raum. Ein Kellner begann die Öllampen anzuzünden, und ihr Rauch vermischte sich mit dem Geruch nasser Kleider. Der Richter bezahlte und ging.
    Ein feiner Sprühregen erwartete ihn. So kaufte er am Straßenrand gegenüber ein Stück Öltuch, und nachdem er dieses über Kopf und Schultern gelegt hatte, ging er schnell die belebte Strafe hinunter. Zwei Blocks weiter verbreiterte sich die Hauptstraße zu einem Platz. In seiner Mitte stand ein großes Gebäude mit drei Souk welken, das wie eine Festung aussah. Eine rot-blaue Fahne von dem mit blauen Ziegeln bedeckten Spitzdach.
    Auf dem Baldachin über dem rotlackierten Tor stand . schwarzen Buchstaben: >Kaiserliche Garde. Zweites Regiment des linken Flügels<. Zwei Gardisten standen oben auf den Grausteinstufen und sprachen mit dem stämmigen Leutnant, den Richter Di auf dem Kai gesehen hatte. Der Richter wollte gerade hinaufgehen, als der Leutnant herunterkam und mit schneidiger Stimme zu ihm sagte:
    »Der Hauptmann wünscht Sie zu sehen, mein Herr. Bitte folgen Sie mir.« Bevor der erstaunte Richter noch ein Wort erwidern konnte, bog der Leutnant bereits um die Ecke des Gebäudes, öffnete rasch die schmale Tür des Wachturms und deutete auf eine steile, enge Treppe. Während der Richter hinaufstieg, hörte er, wie der Leutnant unten den Eisenriegel wieder vor die Tür schob.

Zweites Kapitel
     
     
    Im halbdunklen Flur des zweiten Stockwerks klopfte der Leutnant an eine schlichte hölzerne Tür. Er geleitete den Richter in einen weitläufigen, kahlen Raum, der von einer großen Kerze auf dem einfachen Schreibtisch im Hintergrund erleuchtet wurde. Daran saß ein untersetzter junger Hauptmann, der sofort aufsprang, um den Richter zu begrüßen.
    »Willkommen, Richter Di!« sagte er mit einem breiten Lächeln. »Ich bin Hauptmann Sju. Bitte, nehmen Sie doch Platz!«
    Der Richter musterte ihn scharf. Er hatte ein volles, intelligentes Gesicht, das ein kleiner schwarzer Schnurrbart und ein spitzer, tiefschwarzer Kinnbart zierten. Der Richter konnte ihn überhaupt nicht einordnen. Indem er auf den Lehnstuhl beim Schreibtisch deutete, fuhr der Hauptmann fort:
    »Sie waren vor zwei Jahren viel zu beschäftigt, Richter, um mich zu bemerken! Es war in Han-yuan, wo Sie die Morde am See aufklärten. Ich gehörte damals zum Stab des Kaiserlichen Inquisitors, müssen Sie wissen.« Und zum Leutnant: »Das ist alles, Liu! Ich werde mich selbst um den Tee kümmern.«
    Richter Di lächelte schwach, während er an jenen hektischen Tag in Han-yuan dachte. Er legte sein Schwert auf den Wandtisch und setzte sich auf den Stuhl, den der Hauptmann ihm angeboten hatte. »Sie haben mich auf dem Kai erkannt, nehme ich an?«
    »Ja, Herr Richter. Sie standen neben unserem guten Meister Kalebasse. Ich wollte Sie dort nicht ansprechen, weil Sie inkognito zu reisen schienen. Wußte, daß Sie ohnehin in mein Büro kommen würden, um sich anzumelden, und wies meinen Assistenten an, nach Ihnen Ausschau zu halten. Sie befinden sich auf einer Sondermission, wie ich vermute? So ganz allein unterwegs ...« Er sprach den Satz nicht zu Ende, schenkte eine Tasse Tee ein und setzte sich hinter
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