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Halskette und Kalebasse

Halskette und Kalebasse

Titel: Halskette und Kalebasse
Autoren: Robert van Gulik
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vorgingen, würden sie diesen Ort meiden, und wir haben strikten Befehl aus der Hauptstadt, ein gutes Einvernehmen mit der Bevölkerung zu wahren. >Mildtätige Regierung< nennt man die Herrschaft Seiner Majestät, wie Sie wissen, Richter. Es ist eine heikle Situation, denn niemand kann im voraus sagen, wann sich bei den großen Gaunern, die hier Urlaub machen, etwas zusammenbraut. Und ich bin für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in diesem Bezirk verantwortlich!«
    »Sehr richtig. Aber mir ist nicht klar, was ich dabei tun kann.«
    »Sie könnten sich die Situation einfach mal ansehen! Aus der entgegengesetzten Perspektive sozusagen. Ein Mann mit Ihrer langjährigen Erfahrung und Ihren glänzenden kriminalistischen Erfolgen würde...«
    Richter Di hob eine Hand.
    »Schon gut. Ich habe nichts dagegen, mir einen unmittelbaren Eindruck von den Problemen in einem Sonderbezirk zu verschaffen. Ich...«
    Es klopfte, und der Leutnant kam zurück. Er legte zwei Blätter vor seinen Chef. Das eine war Richter Dis eigenes Ausweisdokument. Der Hauptmann konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf das zweite, ein leicht beschmutztes Stück Papier mit abgenutzten Rändern.
    »Gut!« rief er mit breitem Lächeln aus. »Wirklich sehr gut, Liu! Sehen Sie sich das an, Richter!« Er schob diesem das zweite Dokument hinüber. Es war ein vier Jahre zuvor von den obersten Behörden auf den Namen Dr. Liang Mo ausgestelltes offizielles Ausweispapier. Das Geburtsdatum war das von Richter Di, aber die Adresse war ein bekanntes Wohnviertel in der Hauptstadt.
    »Sehen Sie das Datum?« fragte Hauptmann Sju händereibend. »Genau der Tag, an dem die Behörden der Hauptstadt allen Bürgern neue Ausweispapiere ausgestellt haben! Gut gemacht, Liu!« Er nahm einen Siegelstempel aus der Schublade, drückte ihn auf eine Ecke des Papiers und schrieb quer darüber: >Inhaber befindet sich auf dem Weg zurück in die Hauptstadt. Genehmigte Aufenthaltsdauer drei Tage.< Er fügte das Datum hinzu und setzte mit einem schwungvollen Pinselstrich seine Initialen darunter.
    »Das war's, Richter! Alles erledigt! Ihr eigenes Papier werde ich hier unter Verschluß für Sie aufbewahren. Wäre unangenehm, wenn Sie mit zweien angetroffen würden! Ich rate Ihnen, im >Eisvogel< abzusteigen, es ist eine nette, ruhige Herberge, und die meisten hohen Tiere logieren dort.« Er erhob sich und fügte munter hinzu: »Ich stehe Ihnen selbstredend jederzeit zur Verfügung! Tag und Nacht!«
    Richter Di erhob sich ebenfalls.
    »Ehrlich gesagt, Sju, als Sie Ihr Problem erwähnten, dachte ich, Sie meinten den Mord am Kassierer vom >Eisvogel<. An dem Mann, dessen Leiche Sie heute auf dem Kai in Augenschein nahmen.«
    »Übler Fall, das! Aber der Bursche wurde außerhalb meines Zuständigkeitsbereiches ermordet. Habe das sofort feststellen lassen. Die Nachtwache bemerkte ihn, als er so etwa eine Stunde nach Mitternacht die Stadt verließ. Ging nach Osten. Und meine Patrouillen haben keine Spur von Räubern oder Wegelagerern in diesem Gebiet oder in der Nähe davon gefunden. Der Bursche wurde irgendwo auf der Straße, die in die Berge führt, ermordet und seine Leiche ein paar Meilen stromaufwärts in den Fluß geworfen. Sie verfing sich hier in den Wasserpflanzen gegenüber dem Fährhaus. Ich werde den Fall Ihrem Kollegen, dem Richter des Nachbarbezirks östlich von dieser Stadt, übergeben. Zusammen mit dem Zeug dort drüben, das wir in seinen Ärmeln gefunden haben.«
    Er führte den Richter an einen Nebentisch und deutete auf eine gefaltete Karte, einen Abakus, ein Päckchen Besuchskarten und einen Strang Kupfermünzen. Richter Di entfaltete beiläufig die Karte und studierte sie eine Weile.
    »Das ist eine detaillierte Karte der Provinz«, bemerkte er. »Die Straße von der Stadt am Fluß zum Dorf der zehn hügeligen Meilen, jenseits des Bergkamms im Osten, ist rot markiert.«
    »Genau! Dahin wollte sich der Kerl offenbar heimlich davonmachen, mit den zwanzig Silberstücken seines Brotgebers. Dieser Gastwirt ist ein notorischer Geizkragen, wissen Sie. Besaß doch die Frechheit, der Bursche, von mir Ersatz für seinen Verlust zu verlangen! Bitte, nehmen Sie diesen Abakus und geben Sie ihn dem alten Knicker zurück. Würde mich nicht wundern, wenn er mich beschuldigte, ihn gestohlen zu haben!«
    Der Richter steckte das Rechenbrett in seinen Ärmel.
    »Das will ich gern tun. Aber Sie täten gut daran, das Ding in Ihrem Bericht an meinen Kollegen zu erwähnen. Es könnte etwas mit
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