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Halskette und Kalebasse

Halskette und Kalebasse

Titel: Halskette und Kalebasse
Autoren: Robert van Gulik
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dem Fall zu tun haben. Es könnte zum Beispiel bedeuten, daß er in dem Dorf, in das er wollte, irgendeine komplizierte finanzielle Transaktion vorhatte.«
    Der Hauptmann zuckte mit der Achsel. »Zu einem Kassierer gehört ein Abakus. Aber ich werde ihn auf jeden Fall erwähnen.« Während der Richter sich sein Schwert umgürtete, fragte er: »Woher wissen Sie, daß der Kassierer das Silber stehlen wollte?«
    »Der alte Wei hat ausgesagt, daß der Junge das Silber aus der Geldkassette genommen hat. Und Sie können sich darauf verlassen, daß Wei genau wußte, wieviel da war, bis auf das letzte Kupferstück! Er leitet den >Eisvogel< gut, aber er ist ein sauertöpfischer alter Geizhals. Die Leute sagen natürlich, daß seine Frau falsch gehandelt hat, aber Sie nehmen es ihr trotzdem nicht allzu übel. Sie ist ihm nämlich vor ein paar Wochen weggelaufen. Tja, ich bin Ihnen schrecklich dankbar, daß Sie mir sagen wollen, wie Sie die Situation sehen. Aber lassen Sie sich deswegen nicht davon abhalten, ein paar Angelausflüge den Fluß hinauf zu machen! Es gibt hier prächtige Barsche. Forellen auch.«
     

    Der Hauptmann zeigt Richter Di eine Landkarte
     
    Er geleitete den Richter feierlich die Treppe hinab, und der stämmige Leutnant Liu öffnete die Tür. Es goß in Strömen.
    »Scheußliches Wetter, Richter! Zum Glück ist der >Eisvogel< nur noch ein paar Schritte von hier -zu Ihrer Rechten. Gute Nacht!«

Drittes Kapitel
     
     
    Der Richter ging rasch davon, während er sich zum Schutz vor dem Regen das Oltuch über den Kopf hielt. Die Hauptstraße lag wie ausgestorben da, denn die Zeit für das abendliche Reismahl rückte heran. Mit einem grimmigen Lächeln überlegte er, daß Hauptmann Sju viel zu glatt und unbestimmt gewesen war. Seine Geschichte über das Problem der unerwünschten Besucher war doch nichts als leeres Geschwätz. Und für den Mord am Kassierer interessierte Sju sich auch nicht. Es mußte einen anderen Grund geben, warum Hauptmann Sju wollte, daß er inkognito in der Stadt blieb. Und dazu einen sehr triftigen Grund, denn sonst hätte der Hauptmann sich nicht solche Mühe gegeben, ihn mit einer neuen Identität auszustatten. Sju war ein pfiffiger Bursche und außerdem ein scharfer Beobachter -er hatte ihn auf dem Kai trotz seiner unordentlichen Erscheinung sofort entdeckt.
    Plötzlich hielt Richter Di im Gehen inne, ohne den Regen zu beachten. Auf dem Kai hatte der Hauptmann ziemlich schlank ausgesehen, wohingegen Sju ein eher stämmiger Mann war. Und auf dem Kai hatte er nur einen flüchtigen Blick von dem halb durch das Halstuch verdeckten Gesicht des Mannes erhascht. Der Richter zog seine buschigen Augenbrauen zusammen. Der Leutnant hatte ihn geschickt durch einen Seiteneingang die Treppe hinauf entführt, und niemand hatte ihn, den Richter, das Büro des Hauptmanns betreten oder verlassen sehen. Nun war er allein in einer Stadt, die er nicht kannte, und trug gefälschte Papiere bei sich. Für einen kurzen Augenblick hatte er eine Vorahnung kommender Schwierigkeiten. Dann zuckte er die Achseln. Wenn die Sache irgendeinen Haken hatte, würde er es bald genug wissen.
    Ein großer Lampion mit der Aufschrift >Herberge zum Eisvogel< baumelte von der Dachrinne eines Säulenvorbaus. Auf der anderen Straßenseite sah er einen noch größeren, auf dem >Herberge zu den Neun Wolken< geschrieben stand. Nach kurzem Zögern entschied er sich für den >Eisvogel<. Er schüttelte das nasse Oltuch aus und betrat die höhlenartige Eingangshalle.
    Sie wurde von einem stattlichen Bronzeleuchter erhellt, der unheimliche Schatten auf die getünchten Wände warf.
    »Die großen Zimmer sind alle belegt, mein Herr«, informierte ihn der junge Gehilfe hinter dem Empfangstisch. »Aber wir haben noch ein hübsches kleines Hinterzimmer im zweiten Stock frei.«
    »Das genügt mir«, sagte Richter Di. Während er seinen Namen und Beruf in das Fremdenbuch eintrug, fügte er hinzu: »Bevor ich hinaufgehe, möchte ich ein Bad nehmen und meine Kleider wechseln. Nachdem Sie mir das Badezimmer gezeigt haben, schicken Sie einen Mann zum Hufschmied auf dem Kai, er soll meine Satteltaschen holen.« Als er das Fremdenbuch zurückschob, fühlte er das Gewicht in seinem Ärmel. Er nahm den Abakus heraus. »Bei meiner Anmeldung im Hauptquartier bat man mich, dieses Rechenbrett zurückzugeben. Es gehörte dem Kassierer, dessen Leichnam im Fluß gefunden wurde.«
    Der Gehilfe dankte ihm und legte den Abakus in die Schublade. »Als der Chef
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