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Halskette und Kalebasse

Halskette und Kalebasse

Titel: Halskette und Kalebasse
Autoren: Robert van Gulik
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Päckchen in seinem linken Ärmel!« sagte eine heisere Stimme. »Muß mein Silber sein!«
    »Maul halten!« schnauzte der Leutnant den hageren Mann mit Hakennase und struppigem Bart an, der in der vordersten Reihe stand.
    »Das ist Wei Tscheng, der Besitzer des >Eisvogels<«, flüsterte Meister Kalebasse dem Richter zu. »Denkt immer zuerst ans Geld!«
    Der Richter sah flüchtig zu dem langen, hageren Gastwirt hin. Dann fiel sein Blick auf das Mädchen, das neben ihm stand. Er schätzte ihr Alter auf ungefähr siebzehn. Sie war klein und schlank, trug ein langes blaues Gewand mit roter Schärpe, und ihr schwarzglänzendes Haar war zu zwei einfachen Rollen aufgesteckt. Ihren Kopf hatte sie von dem Toten abgewendet, das hübsche Gesicht war kreidebleich.
    Der Leutnant richtete sich auf. Ehrerbietig sagte er zu dem Hauptmann:
    »Der Zustand der Leiche läßt darauf schließen, daß sie bereits einen ganzen Tag im Wasser gelegen hat, Herr. Wie lauten Ihre Befehle?«
    Der Hauptmann schien ihn nicht gehört zu haben. Der Richter konnte sein Gesicht nicht gut erkennen, denn er hatte das rote Halstuch über seinen Mund gezogen. Die Augen unter den schweren Lidern starrten auf die Reitpeitsche in seiner fest geschlossenen, gepanzerten Faust. Die schlanke Gestalt in ihrem goldenen Brustharnisch saß unbeweglich wie eine Bronzestatue da.
    »Wie lauten Ihre Befehle, Herr?« fragte der Leutnant wieder.
    »Laß die Leiche ins Hauptquartier bringen«, sagte der Hauptmann mit dumpfer Stimme. »Zusammen mit den Fischern, die ihn gefunden haben. Und dem Gastwirt, bei dem das Opfer angestellt war.«
    Der Hauptmann wendete sein Pferd so ruckartig, daß die Zuschauer hinter ihm zur Seite springen mußten, um nicht niedergetrampelt zu werden. Er ritt auf die breite Straße zu, die vom Kai wegführte, begleitet vom Klappern der Hufe seines Pferdes auf den nassen Pflastersteinen.
    »Alles zurückbleiben!« bellte der Leutnant.
    »Ein schändlicher Mord!« bemerkte Richter Di zu Meister Kalebasse, während sie zu ihren Reittieren zurückgingen. »Der Mann war doch aber Zivilist. Warum befaßt sich das Militär mit dem Fall und nicht der hiesige Bezirksrichter?«
    »Es gibt keinen Bezirksrichter in der Stadt am Fluß, Doktor. Wegen des Wasserpalastes, wissen Sie? Die Stadt und ihre Umgebung gelten als Sonderbezirk, der von der Kaiserlichen Garde verwaltet wird.« Er bestieg seinen Esel und legte die Krücken wieder quer auf dessen Rücken. »Tja, ich werde mich hier verabschieden. Sie reiten einfach die Straße hinunter, die der Hauptmann nahm; es ist die Hauptdurchgangsstraße der Stadt. Die beiden Gasthöfe befinden sich ein kleines Stückchen hinter dem Hauptquartier der Garde. Der >Eisvogel< und die >Neun Wolken< liegen sich dort an der Straße direkt gegenüber. Beide sind komfortabel - Sie haben die Wahl!« Er schnalzte mit der Zunge und ritt fort, noch bevor der Richter ihm danken konnte.
    Richter Di führte sein Pferd zu dem Hufschmied an der Ecke des Fischmarkts. Das Tier brauchte dringend eine Ruhepause.
    Er gab dem Hufschmied eine Handvoll Kupfermünzen und trug ihm auf, das Pferd gut abzureiben und es zu füttern. Er würde es am nächsten Morgen abholen.
    Als er die Hauptstraße betrat, merkte er plötzlich, daß er von dem langen Ritt ganz steif und sein Mund völlig ausgedörrt war. Er ging in das erste Teehaus, das er fand, und bestellte eine große Kanne Tee. Ein halbes Dutzend Einheimische waren um den größeren Tisch vor dem Fenster versammelt. Sie unterhielten sich angeregt und knackten dabei getrocknete Melonenkerne. Während Richter Di seinen Tee schlürfte, fiel ihm wieder ein, daß er sich ja hier in einem Sonderbezirk mit strengen Sicherheitsbestimmungen befand und er sich deshalb sofort nach seiner Ankunft beim Garde-Hauptquartier anmelden mußte. Er würde das auf dem Weg zu seiner Unterkunft tun, denn nach der Beschreibung des alten Mönchs befanden sich beide Gasthöfe ein kleines Stückchen hinter dem Hauptquartier. Da der Kassierer des >Eisvogels< auf solch scheußliche Weise gefoltert und getötet worden war, würde dort sicher schreckliche Aufregung herrschen. Es wäre vielleicht besser, in der Herberge >Zu den Neun Wolken< ein Zimmer zu nehmen. Der Name >Zum Eisvogel< klang jedoch auch recht verlockend. Er hatte vor, während der zwei Tage in dieser Stadt am Fluß ein wenig zu angeln. In Puyang konnte er nie die Zeit dafür finden. Er streckte seine Beine aus und überlegte, daß das Militär die Mörder
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