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Halbmondnacht

Halbmondnacht

Titel: Halbmondnacht
Autoren: Amanda Carlson
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am Feuer zu erzählen pflegten. Ob mir je in den Sinn gekommen ist, dass diese fantastischen Märchen etwas mit meiner Tochter zu tun haben könnten? Nein, niemals. Das wäre mir nicht einmal im Traum eingefallen. Werwölfe sind eine reine Männergesellschaft, in der allein Stärke zählt. Deine Geburt war eine Anomalie, etwas, das ich immer für etwas Besonderes gehalten habe. Ich habe geglaubt, das Schicksal meine es gut mit uns und eröffne uns die Möglichkeit einer weiblichenAbstammungslinie. Denn ohne eine solche wird unsere Art aussterben. Es gibt nur noch wenige Menschenfrauen, die unseren Nachwuchs austragen können. Ungeachtet des Kain-Mythos und all des Ärgers, der dadurch hervorgerufen wurde, habe ich mich an die Hoffnung geklammert, dass du nicht ohne Grund geboren wurdest. Ich hoffte, dass die Wölfe dich letztendlich doch akzeptieren würden und dich so sehen würden wie ich: als Gewinn für unsere Art. Ich ahnte immer, dass es einen besonderen Grund für deine Existenz geben musste. Aber augenscheinlich ist es nicht ganz der, den ich mir vorgestellt habe.«
    »Nein«, sagte ich, »so hat sich das sicher keiner von uns vorgestellt, am wenigsten ich selbst.«
    »Nun, damit wäre dazu wohl alles gesagt. Ich für meinen Teil finde, es ist nicht der rechte Zeitpunkt, um mit dem Schicksal zu hadern.« Er klang gelassen, die Stimme fest. »Wenn wir auch in Zukunft handlungsfähig sein wollen   – und das wollen wir   –, sollten wir uns mit allem Wissen wappnen, das wir zusammentragen können. Und ich stimme mit Devon überein. Der Wortlaut der Prophezeiung in dem an ihn gemailten Link ist nur eine Version von vielen, die auf der ursprünglichen Prophezeiung basieren. Ich will mehr Antworten, und zwar so bald wie möglich.« Mein Vater wandte sich an Devon. »Wenn ich zurückkehre, möchte ich einen umfassenden Bericht, und wenn du in die Alte Heimat reisen musst, um die nötigen Informationen zu bekommen.« In Schottland hatten wir einen Landsitz, der seit vielen, vielen Generationen den McClains gehörte. Es war ein wunderschöner Besitz, eine herrliche, alte Burg voller Antiquitäten und mit einer Bibliothek in den Ausmaßen eines Footballfelds. »Werte sämtliche Quellen und Verweise zu allem aus, was du über Y Gwir Lycae finden kannst. Es sollten zahlreiche Überlieferungen vorhanden sein. Wenn du damit fertig bist, erwarte ich einen ausführlichen Bericht.«
    Devon nickte knapp. »Jawohl, Sir.«
    Ich seufzte und massierte mir die Schläfen. »Jetzt habt ihr mich abgehängt. Die Belege dafür, dass die Mythen sich tatsächlich um eine Werwölfin drehen, sind doch eher selten. Und ihr wollt das Risiko, aufzudecken, dass ich die Reinkarnation einer Super-Werwölfin sein könnte, wirklich eingehen? Ihr wollt beweisen, dass ich die prophezeite Herrscherin der Welt der Übernatürlichen bin? Ausgerechnet jetzt ?« Na ja, wahrscheinlich gab es dafür nie einen passenden Zeitpunkt. »Und dann sitzt da auch noch ein gut verschnürter und verdammt wütender Cop im Nebenzimmer, um den ich mich neben all dem anderen Mist auch noch kümmern muss   – oder sollte ich sagen: den ich beseitigen muss?« Ich rieb mir den Nasenrücken und schüttelte den Kopf. »Vollkommen verrückt das Ganze.«
    All das Neue, das in letzter Zeit auf mich hereingestürzt war, brachte mich durcheinander und nahm mich mehr mit, als ich zugeben wollte. Während der ersten paar Tage nach meiner Wandlung zur einzigen Werwölfin der Welt war mir so einiges zugestoßen: Ich war in meinem Zuhause brutal angegriffen worden; mein eigenes Rudel war auf mich losgegangen; ich hatte einen Gefährten gefunden, der nicht Wolf, sondern eine Art Werkatze unbekannter Herkunft war; eine Göttin hatte mich verhext und mir meinen Gefährten wieder genommen; ich war einer Vampirkönigin in die Hände gefallen, die völlig neben der Spur war, und hatte ihr einen Eid geschworen, der mich das Leben kosten könnte. Wenn nun diese sogenannte Prophezeiung einen wahren Kern hatte, würde das in der Welt der Übernatürlichen sofort die Runde machen und Wellen schlagen, gegen die sich jeder Tsunami niedlich ausnähme. Wenn die Katze nicht längst aus dem Sack war. Wer konnte schon wissen, wie viele Personen dieselben Informationen erhalten hatten wie Devon? Es war durchaus möglich, dass man uns den Link mit Absicht als Letzten zugeschickt hatte. Auf jeden Fall ließ es nichts Gutes ahnen, dass dieser stinkende Kobold heute Morgen gleich mehrere Bemerkungen
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