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Halbmondnacht

Halbmondnacht

Titel: Halbmondnacht
Autoren: Amanda Carlson
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hattefallen lassen, die sich auf die Prophezeiung bezogen. Und wenn schon so ein kleines Licht davon gehört hatte, dann standen die Chancen gut, dass es bereits alle wussten.
    »Jessica«, sagte mein Vater und erhob sich, »wir regeln das. Es ist eine üble Geschichte und alles andere als gut für uns. Aber wir bekommen das in den Griff, keine Frage, so wie wir die Dinge immer in den Griff bekommen haben. Wir sind Wölfe. Wölfe sind Kämpfer   – und Sieger.«
    »In weniger als fünf Stunden verlasse ich die Stadt.« Ich warf einen Blick auf mein Handgelenk, dabei trug ich schon seit Jahren keine Armbanduhr mehr. Rasch suchte ich den Blick meines Vaters. Seine Besorgnis brachte mein Blut in Wallung und verband sich mit meiner tief sitzenden Angst. »So schnell kriege ich das alles nicht geregelt. Ich brauche einfach mehr Zeit!«
    »Tja«, warf Devon ein, »das Ganze hat vielleicht auch eine gute Seite.« Er wischte sich eine Schweißperle von der Stirn. »Besser die Prophezeiung stimmt als der Kain-Mythos. Denn wenn wir herausfinden, dass du der Wahre Lykan bist, kannst du unmöglich Kains Tochter sein. Das dürfte doch ein bisschen mehr Ruhe ins Rudel bringen, meint ihr nicht?« Er zog die Augenbrauen hoch und nickte. »Richtig?«
    Ich funkelte ihn böse an. Devon war kein Wolf, er war ein Reinmensch. Wie so einige von ihnen war er für das Rudel unverzichtbar. Er verfügte über das technische Know-how, das heutzutage nötig und unumgänglich war, deswegen gehörte er dazu. Er war ein netter Kerl und absolut loyal dem Rudel gegenüber. Aber solche dämlichen Kommentare waren das Letzte, was ich jetzt hören wollte.
    »Ja, klar doch«, blaffte ich ihn an. »Mein funkelnagelneues Stellenprofil ist um Klassen besser als das alte: Ich überwältige und beherrsche alles Böse. Die Dämonen lieben mich ja jetzt schon heiß und innig, und die Vampirkönigin kann’s kaum noch erwarten, mich wieder in die Finger zu bekommen. Mein Leben kannnur noch besser werden, jetzt, da ich jeden Tag meiner allwaltenden Herrschaft für Gerechtigkeit sorgen werde. Ich bringe einfach alle um, die etwas im Schilde führen   – was so ungefähr jeden Übernatürlichen mit einschließt.«

KAPITEL ZWEI
    D evon, lass uns jetzt bitte allein«, verlangte mein Vater.
    Augenblicklich sprang Devon auf und schnappte sich seinen Laptop. In seiner Hast stieß er den leeren Kaffeebecher vom Tisch. Das Klirren des Aufpralls gab ganz wunderbar wieder, wie sich mein Gehirn gerade anfühlte. Meine Wölfin knurrte leise. Ich weiß. Das alles ist ein bisschen viel auf einmal, und wir müssen endlich loslegen. Sie jaulte zustimmend.
    Nachdem sich die Tür hinter Devon geschlossen hatte, seufzte ich tief. Diesen Seufzer hatte ich schon lange und nur mit Mühe zurückgehalten. »Seit wann hast du geahnt, dass ich anders bin?«, fragte ich meinen Vater ruhig. »Seit ich mich gewandelt habe, muss meine Andersartigkeit doch für dich förmlich mit Händen greifbar gewesen sein.«
    Mein Vater wandte sich ab und ging um den Tisch herum zu der Reihe von hohen Fenstern, die eine Wand des Konferenzzimmers bildeten. Mit der Hand fuhr er sich durch das schwarze Haar. Als er den Arm beugte, strafften sich seine durchtrainierten Muskeln und zeichneten sich sichtbar unter dem nun sehr eng anliegenden blauen Arbeitshemd ab. »Sicher war ich mir nicht, bis du dich gegen den Eindringling zur Wehr gesetzt hast. Davor hatte ich bloß vage Vermutungen.«
    Müde wie ich war, ließ ich mich in einen der Sessel fallen, die um den Tisch standen. In meinem Kopf fühlte es sich an wie in einem hoffnungslos überfüllten Lift: Im Augenblick passte sicher kein einziges Fitzelchen Information mehr hinein. Rourke fehlte mir, und das drückte mich nieder, als läge ein Tonnengewicht aufmir. Es nahm mir geradezu die Luft zum Atmen. Wie sehr ich mich nach ihm sehnte, konnte ich nicht in Worte fassen. Das Gefühl war so machtvoll, dass es an die Grenzen des für mich Erträglichen ging. Es gab wirklich schon genug Dinge, über die ich mir Sorgen machen musste. Für fantastische Geschichten über mein absonderliches Ich war einfach kein Platz.
    Aber anstatt loszuschimpfen, schwieg ich und wartete darauf, dass mein Vater fortfuhr. Ich wollte unbedingt hören, wie er die Dinge sah.
    »Als der Kain-Mythos das erste Mal seinen Weg ins Habitat fand, brach ein regelrechter Aufstand los«, erzählte er, den Blick aus dem Fenster gerichtet. »Es gab massive Sicherheitsbedenken, was dich anging.
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