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Halb verliebt ist voll daneben - Roman

Halb verliebt ist voll daneben - Roman

Titel: Halb verliebt ist voll daneben - Roman
Autoren: Lucy-Anne Holmes
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kam. DAS ERSTE! »Können wir das mal durchspielen, damit Sarah die Melodie in den Griff bekommt?«
    ICH HABE IN MEINEM GANZEN LEBEN NOCH KEINE MELODIE IN DEN GRIFF BEKOMMEN!
    Der Pianist nickte. Ich konzentrierte mich angestrengt aufs Zuhören. Vielleicht lag es an der Atmosphäre oder an den Chihuahuas oder der Tatsache, dass ich die Rolle unbedingt haben wollte – jedenfalls redete ich mir ein, dass ich singen konnte. Mir fielen Simons Worte von wegen Visualisierung wieder ein. Ich bildete mir ein, die hohen Töne perfekt umsetzen zu können. Fühlte mich mächtig und zu allem fähig. Das war der Moment, auf den ich gewartet hatte. Als der Pianist erneut das Lied spielte, holte ich tief Luft. Dann öffnete ich meinen Mund.
    Das Geräusch, das eine Ente macht, wenn sie von einem Fuchs angegriffen wird, habe ich zwar noch nie gehört, aber es dürfte dem Geräusch ähnlich sein, das ich an jenem Tag von mir gab. Es war definitiv das Geräusch eines Vogels in Not. Dominic, die Chihuahuas und der Pianist lachten allesamt fröhlich.
    »Toll, aber jetzt mal im Ernst, Sarah!«, erklärte Dominic.
    »Okay«, flüsterte ich und lächelte ihn dabei matt an.
    Der Pianist setzte erneut an. Diesmal brachte ich denselben Ton heraus, nur VIEL lauter. Der Pianist hörte zu
spielen auf. Die Chihuahuas krabbelten nicht weiter, und Dominic verging das Lächeln.
    Das Schweigen wurde schrecklich laut. Es hallte in meinen Ohren, als es mir zuschrie, dass ich nicht singen konnte und ich durch alles Visualisieren der Welt nicht melodiös werden würde.
    »Äh … ich wusste nicht, dass ich singen muss, ich, äh … kann nicht singen«, murmelte ich.
    Er sah mich finster an, kaute hungrig an der Innenseite seiner Lippe und sagte dann nach einer langen Pause: »Scheiße.«
    »Scheiße« war das Wort, das er zehn Sekunden später wiederholte, als eine Dame auftauchte. Sie hielt ein winziges Stück weißen Stoff in den Händen, das an eine Serviette erinnerte, und auch sie sah mich finster an, als sie gequält rief: »DU SAGTEST, SIE HABE DIESELBE GRÖSSE WIE DIESES HOLLYOAKS -FLITTCHEN!«

5
    Und so kam es, dass ich letzte Weihnachten in Jack und der Bohnenstängel den Bohnenstängel spielte. Zwei Aufführungen täglich, sechs Tage die Woche stand ich bis auf den Weihnachtsfeiertag jeden Tag auf der Bühne und schwitzte in einem Pappmascheekostüm mit braun angemaltem Gesicht und einem festgefrorenen Lächeln, während ich darauf wartete, meine vierzehn Zeilen loszuwerden.

    Simon hingegen hatte einen ganz fantastischen Dezember. Sein Wohltätigkeitsprojekt war mit fünf anderen Londoner Wohltätigkeitsprojekten für ein großes Benefizkonzert an Neujahr in der Royal Albert Hall nominiert worden. Ich war nicht neidisch auf ihn. Überhaupt nicht. Aber in mir setzte sich das Gefühl fest, womöglich nicht gut genug für ihn zu sein. Es war ein Gefühl, das Wurzeln schlug. Im Rückblick hatte das vermutlich etwas mit unserem ersten Krach zu tun.
    Es war am Heiligen Abend. Simon sah sich zusammen mit meiner Mum und meinem Dad die Abendvorstellung an, danach wollten wir alle im Auto meiner Eltern runter nach Eastbourne fahren, um dort gemeinsam mit ihnen den Weihnachtstag zu verbringen.
    Ich hatte schon öfter kleine Rollen in einer kleinen Theaterproduktion gehabt, und sie hatten mir immer Spaß gemacht. Solche Rollen haben viele Vorteile. Man hat jede Menge Zeit, um in der Garderobe Liebesromane und Zeitschriften zu lesen und über Jungs und übers Shoppen zu plaudern. Und man hat jede Menge Zeit, um sich Make-up von den anderen Schauspielerinnen auszuleihen, sodass man nach der Vorstellung in eine Bar gehen und aussehen kann, als arbeite man bei Mac.
    Die Rolle des Bohnenstängels gewährte mir diese Vorteile nicht. Ich war während der gesamten Aufführung auf der Bühne und hatte somit keine Chance, mich mit den anderen Schauspielern anzufreunden. Was eine Schande war, denn ich hätte ein freundschaftliches Umfeld gut vertragen können. Ich hatte nämlich keine guten Freunde unter den Darstellern. Dabei hätte ich nicht sagen können, ob es daran lag, dass mich nach meinem
Gequake zum Klavier alle für einen Freak hielten, oder daran, dass ich dachte, sie hielten mich dafür, und deshalb selbst auf Distanz ging. Außerdem ließ sich die braune Farbe von meinem Gesicht nur schwer entfernen, und wenn ich sie dann entfernt hatte, sah mein Gesicht aus, als wäre es eben erst aus einer Vagina gepresst worden, während alle anderen in der Bar
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