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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
Autoren: Karl Hohenthal
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einen Burnus gehüllt, den landesüblichen weiten Kapuzenmantel. Dieses sandfarbene, nach vorn offene Kleidungsstück hatte jeweils schon deutlich gelitten, was den Schluß auf eine gewiß wochenlang währende Reise nahelegte. Auch ihre darunter getragenen langhemdartigen Untergewänder zeigten nur noch fade, ins Pastellhafte verschossene Töne. Diese Verwandtschaft von Bleiche und Abnutzung hatte den Vorteil, Schmutz und Schweiß nicht mehr allzu deutlich hervortreten zu lassen.
    Jener, welcher sich beständig »verehrter kleiner Sir« nennen ließ und, seiner Stimme nach zu schließen, zuvor aus dem Koran zitiert hatte, war ein bemerkenswerter Mann. Dem Saume seines Mantels ermangelte es bereits ungewöhnlich vieler Stücke, doch durfte ihm das nicht als Nachlässigkeit angerechnet werden. Während ihrer Streifzüge pflegen sich die Beduinen, als Zunder für das abendliche Feuer, an den eigenen Gewändern zu bedienen. Nicht wie einer aussieht, entscheidet in der islamischen Welt über Ruf und Ansehen. Den Ausschlag gibt das Selbstbewußtsein, mit dem einer auftritt. Deshalb sind es in der Wüste niemals Vordergründigkeiten wie Farbe, Material, Zuschnitt oder Zustand eines Kleidungsstückes, welche den Mann begründen. Die Beduinen messen den Fremden an seiner Körperhaltung, an der Geradlinigkeit seines Blickes, an der Gepflegtheit seiner Sprache, am Wohlklang seines Sprechorgans, vor allem aber an der Gabe, möglichst viele Geschichten zu kennen und diese spannend zu erzählen. Über diese Haltung kann ein weitgereister Mensch nicht verwundert sein. Man kennt dergleichen aus Südamerika, von den dortigen vermeintlich Ärmsten der Armen, den Yerbateros, Teepflückern, wie auch von »dem« Mexikaner, welchem in vielen Beschreibungen häufig das Beiwort »schmutzig« vorangestellt wird. Eine solche Herabwürdigung ist bezeichnend für viele
von uns »Zivilisierten«. Es ist dies beileibe nicht der geringste unserer vielen anderen Irrtümer, kann doch ein monatelang die Weiten seines Landes durchmessender Caballero unmöglich einhergehen wie ein Geck. Gleichwohl ist er ein vollendeter Kavalier, wohingegen unsere »Herrschaften« es oft genug an Zartgefühl fehlen lassen.
    Das Gesagte gilt leider auch hinsichtlich anderer, leichthin als rückständig bezeichneter Länder. Allzuoft ist man geneigt, von Rückständigkeit zu reden, wo man froh sein müßte, die freundlichsten und freigebigsten Menschen zu treffen. Diese sind vielerorts noch bereit, ihren wenigen Besitz mit dem Fremden zu teilen, ihm in Gefahren beizustehen, selbst unter Einsatz des eigenen Lebens. Fände man nur so viel Großmut unter unseren sogenannten Ehrenleuten, wir blickten hoffnungsvolleren Zeiten entgegen!
    Auch der kleine Mann, der eben zwischen den Felsen her vorgetreten war, durfte nicht hoffen, den üblichen Anforderungen an einen »Herrn« zu entsprechen. Dabei war sein zuversichtlich nach vorn strebendes Gebaren ein so ungewöhnliches, aufrichtiges. Zwei dunkle Äuglein streiften jeden schemenhaft erkennbaren Stein, suchten aber auch schon die Ferne, wo in der sich just entfaltenden Helligkeit selbst kleinste Anzeichen vom Nahen eines Feindes künden konnten. Schon auf Grund seiner Abstammung war sein Gesicht getönt, und zusätzlich war es von der Wüstensonne verbrannt. Es fand dieses Gesicht sich weitgehend faltenlos, weshalb man das Alter des Männleins auf Anfang, höchstens Mitte zwanzig schätzen durfte. Treuherzig blickte es drein, zugleich listig und verschmitzt. Was dem Kleinen an Statur fehlte, mochte ihm seine spitz zulaufende Nase ausgleichen, welche sich oftmals, fleißig die zunehmend trocken werdende Luft erschnuppernd, bis in den Himmel zu recken suchte. Dort wohnte für diesen glühenden Anhänger Mohammeds der universelle Gott, dem nach seinem Dafürhalten einzig der Name »Allah« zukam. Sich dessen Wohlwollen zu erwerben und zu erhalten schien ihm Lebensaufgabe
zu sein. An der einen Hand führte er ein stattliches Reitkamel, an der anderen ein hoch bepacktes Dromedar. Sich mit sicherem Tritt auf den Pfad des neuen Tages setzend, redete er unablässig auf seinen ihm nachfolgenden Gefährten ein:
    » – – – und es darum als meine Pflicht betrachte, dir, Effendi, nach dem Morgengebet auch sämtliche anderen Verse des Korans nahezubringen. Mögest du mit meiner Hilfe deinem Irrglauben entsagen und die Weisheit des Propheten schätzenlernen, wenn nicht heute, so doch morgen oder übermorgen; ich lasse dich nicht los.
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