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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
Autoren: Karl Hohenthal
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Underdog nicht minder gern. Als Literat tat er dies unter so reißerischen Namen wie »Capitain Ramon Diaz de la Escosura« oder, Weltläufigkeit suggerierend, als »Prinz Muhamêl Latréaumont«, pseudoaristokratisch als »Ernst von Linden« oder »P. van der Löwen« oder bürgerlich-bescheiden als »Richard Plöhn«. Freilich benutzte May diese und weitere Namen nicht einfach aus Gründen der Anmaßung. Als schlecht und manchmal gar nicht bezahlter Autor oder Redakteur mußte ihm im aufstrebenden Zeitschriftenmarkt des späten 19. Jahrhunderts an der Mehrfachverwertung seiner Texte gelegen sein. Die entgeltfreien
»Creative Commons« unserer Tage gab es in ähnlicher Form seinerzeit auch, sie hießen nur anders: zum Beispiel »Raubdrucke«. Oder schlicht »Verleger« (Heinrich Gotthold Münchmeyer).
    In dem von May ebenfalls verwendeten Pseudonym »Karl Hohenthal« verschmolz er seinen Geburtsort Ernstthal mit dessen Nachbarort Hohenstein. Zwischen 1875 und 1882 veröffentlichte »Hohenthal«, unter anderem für das Blatt Für alle Welt, etliche Erzählungen. Sie spielten vorwiegend auf deutschem Boden, waren schnell hingeworfenes, bewußt auf dramatische Abrisse (Cliffhanger) abzielendes Lesefutter. Bis auf wenige historische, damals aktuelle Bezüge waren die Namen und Personen in diesen Erzählungen erfunden, wie auch in der vorliegenden Nachempfindung. (Anders als hier geschildert, war etwa Truman C. Everts, der Mitentdecker des Geysirs Old Faithful, ein Ehrenmann.) Derart fiktiv-naturalistisch war seit dem Lügenbaron von Münchhausen kein deutscher Autor in Erscheinung getreten: Karl May/Karl Hohenthal nahm das Scripted-Reality-Prinzip des Kommerzfernsehens vorweg, jedoch ehrenwert gemeint sowie ungleich unterhaltsamer, spannender.
    Obgleich »Hohenthal« nur wenig zu den Lorbeeren des May-Werkes beitrug, ist es interessant, die Entwicklung vieler Stereotypen in der Rohversion nachzuvollziehen, beispielsweise das oft geübte Recognosciren, also das Beschleichen und Aushorchen von Feinden. Oder die mit den Jahren auf Seitenlänge anschwellenden, für heutige Gemüter schnell ermüdenden Landschaftsbeschreibungen. Oder die Elogen auf Aussehen, Ausrüstung und Charakter von Winnetou, von gußeisernen Fans Wort für Wort auswendig gelernt.
    Bei Karl Hohenthal – 19. Jahrhundert! – findet sich viel Frömmelei, denn viele dieser Texte wurden in christlichen Familienzeitschriften abgedruckt. Vielfach als sadistisch empfundene Untertöne begleiten all die Marter-, Folter- und Bestrafungsszenen; den detailliert präsentierten Waffen wie der Silberbüchse oder dem Bärentöter wird gern phallische Bedeutung unterstellt. Höhepunkt
der Gründelei bis heute: War May schwul? Bereits in den ersten literarischen Veröffentlichungen finden sich weiße, rote und schwarze Kämpfer, aber keine einzige gutgebaute Frau, weder weißer, roter noch schwarzer Hautfarbe. Dafür gibt es »gewisse« irritierende, als »homoerotisch« aufgefaßte Körperschilderungen – allen May-Profilern sei zugerufen: Ohne eine Prise Verstörung funktioniert kein Roman, erst recht keine »Reiseerzählung«.
    Und nun, mehr als ein Jahrhundert später, schlüpft ein anderer in die Haut von Karl Hohenthal – wer? Und warum ausgerechnet Karl Hohenthal?
    Ersteres tut wenig zur Sache. Stil-Adepten gibt es zuhauf, und keiner soll sich größer tun, als er ist, wie May sagen würde. Lassen wir also dem alter ego des neuen »Hohenthal« sein kleines, völlig unwichtiges Geheimnis, sofern so etwas im Zeitalter des Internets und weltumspannender Sozialnetzwerke überhaupt möglich ist.
    Gereizt hat ihn die Gelegenheit, im Rahmen einer neuen Langerzählung zahlreiche der genannten Elemente in kritische Interaktion zu bringen. Warum nur macht sich in den Winnetou-Bänden das Wort »Cowboy« so rar, daß es am liebsten gar nicht vorkommt? Wir befinden uns doch im Wilden Westen. Weshalb hegt Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi zwar eine Vorliebe für Pferde und listet auch deren indianische beziehungsweise arabische Namen auf, während in seinen sämtlichen Reiseerzählungen kein einziger Hund (noch eine Katze) namentlich bekannt wird? Überhaupt Tiere: Viele Westmänner, erst recht Cowboys, hielten sich Hunde zur Jagd, zur Fährtensuche, zur Verteidigung. Weshalb nicht auch Old Shatterhand, warum nicht Sam Hawkens, wieso nicht der »dicke Jemmy« oder der »lange Davy«? Lassie oder Kommissar Rex wäre jeweils ein May’scher Urahn zu gönnen gewesen.
    Und erst
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