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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
Autoren: Karl Hohenthal
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Albions, und durchweg entstammen sie wohlhabenden Familien, selbstverständlich zurückreichend bis zu den Tagen Heinrichs des Eroberers. Immer sind sie bis zur Überzüchtetheit gebildet und deshalb unnachahmlich gelassen. Gerade dieser Kontrast zwischen Phlegma und Feinnervigkeit macht diese Menschen, wie man so sagt, zum Schießen komisch, was Deutschen kaum je nachgesagt wird.
    Genauso verhielt es sich mit diesem noch die Kathedrale von Sankt Paul überragenden Engländer. »Effendi« nannte Halef ihn zärtlich, meist auch »Sir Edward«, und wie vom ersten Tage seiner Begegnung mit mir, duzte er den englischen Wohlgeborenen auf das Großzügigste. Es gab sich allerdings der Britanneise wenig Mühe, seine Eigenheiten zu verbergen. Mochte ihm das Tragen des landesüblichen Kapuzenkleides noch Achtung unter den Orientalen einbringen, so konnte es schon im nächsten Moment um diesen Vorzug geschehen sein. Sir Edward gefiel sich nämlich in der Angewohnheit, einen Menschen nicht einfach nur
anzusehen; er starrte sein Gegenüber regelrecht an. Dabei vergrößerten sich seine beiden Seelenspiegel zu Kuhaugen, was die Folge einer sagenhaften Schlechtsichtigkeit sein mußte. Um den faltigen Hals hatte er ein feinsilbernes Kettchen baumeln, woran auch ein Monokel mit einem unglaublich dicken, sorgfältig geschliffenen Glas befestigt war. Doch wozu ein solches sich auf die Nase setzen, wenn unter derselben zwei allerliebste Warzen vorhanden waren, die zur Peilung dienten? So blieb dem Adelsherrn nur, sich ständig die eine wie die andere Pupille herauszudrehen, um noch die einfachsten Dinge wahrzunehmen. Deshalb wohl faßten seine riesenhaften Hände noch jetzt, im Dämmerscheine, so häufig an ein Fernrohr, das er sich abwechselnd vor das eine und das andere Maulwurfsauge hielt.
    Nicht weniger auffällig war Sir Edwards teilnahmsvoll wirkender Gesichtsausdruck. Während jeder Wüstenreisende darauf bedacht ist, eingedenk knappen Wassers die Lippen möglichst geschlossen zu halten, behielt er die seinen zumeist offen. Auch wenn er nicht sprach, formten sie immerzu Vokale, wie um durch dies lautlose Reden die Kaumuskulatur geschmeidig zu halten. Ein A mochte bei ihm für Achtung, attention, stehen; ein E für enthusiasm, Begeisterung; das I war ihm incredible, unglaublich; das O outstanding, herausragend; und nach einem abschließenden U für unique, einzigartig, gingen diese lautlosen Exerzitien wieder von vorn los.
    Gerade diese Grille beschreibt den Mann am deutlichsten.
    Es war dies noch die Zeit, als solche unfaßbar reichen Individualisten jene Teile der Erde bereisten, die sich noch nicht in die Besitzungen irgendeiner Krone, gar der englischen, hatten einreihen lassen. Nicht daß aus anderen Länder nicht auch wohlhabende Sonderlinge ausgeschwärmt wären; man hat von den Neffen, Brüdern, selbst den Schwestern des russischen Zaren gelesen, welche bis an den Amazonas vorgedrungen sind; französische Schloß-und Gutsbesitzer durchmessen weiterhin Indien, und Legion sind unsere berühmten deutschen Forscher, welche, wie der unermüdliche
Alexander von Humboldt, vor keinem noch so lebensfeindlichen Orte zurückschrecken und so ihre Schatten über die ganze Welt werfen. Die Engländer aber sind überall anzutreffen, und immer, auch das muß man sagen, immer ist es unmöglich, von ihrem Feinsinn nicht angetan zu sein. Mögen sie noch so weit entfernt sein von ihrem Buckingham Palace oder Trafalgar Square, von ihrem five-o’clock tea oder ihrem fragwürdigen, weil handwarm servierten Biere, stets findet man in ihnen die loyalsten, tapfersten Reisegefährten, was für den Nichtengländer keinen geringen Trost bedeutet.
    An diesem frühen Morgen in der Wüste nun schritt Hadschi Halef Omar seinem Effendi, jenem Sir Edward, voran. Fürs erste zog er diese Fortbewegungsart dem Reiten vor, um desto gründlicher den Grund unter seinen Füßen zu prüfen. Ein guter Kundschafter wird immer so verfahren, ehe er seine Tagesetappe beginnt. Bis auf weiteres schienen sich keine Anzeichen für Gefahr zu zeigen, doch Anlaß zu Sorglosigkeit bestand deshalb nicht. Halef spähte umher, Reitkamel und Dromedar fest am Zügel, und Sir Edward folgte ihm, das eigentlich unnütze Fernrohr emsig in Gebrauch haltend.
    »Hamdulillah, Effendi! Wir haben zu lange am Feuer gesessen – wollten wir nicht viel früher aufbrechen? Nun werden wir die Stelle, die ich dir zeigen will, erst um Mittag erreichen, während der größten Hitze. Ich fürchte,
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