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Reingekracht: Familien-Bullshit-Bingo (German Edition)

Reingekracht: Familien-Bullshit-Bingo (German Edition)

Titel: Reingekracht: Familien-Bullshit-Bingo (German Edition)
Autoren: Kooky Rooster
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Single-Bullshit-Bingo
     
    „Wir müssen noch an einer Tankstelle halten, ich brauch noch Blumen“, begrüßte ich meine Schwester Julia schon von weitem. Sie stand neben ihrer winzigen, froschgrünen Rostschüssel und hatte eine riesige Puck-Sonnenbrille auf. Ihr kupferrotes Haar war zu einem chaotischen Dutt am Hinterkopf zusammengesteckt und ein paar strategisch herausgezupfte Strähnchen ließen ihre Frisur richtig romantisch erscheinen. Grün war außerdem nicht nur das Auto, sondern auch ihr knielanger Mantel. In der Farbenwelt meiner Schwester existierte nur grün, schwarz und das Rot ihrer Haare.
    „Nino!“, tadelte sie mich sofort in einem quengelnden Tonfall, „Wie lange weißt du schon von der Einladung?“
    Seit Wochen, aber ich hatte sie verdrängt, wie ich alle Familienfeiern so lange verdrängte, wie irgend möglich – in der Regel also bis zu jenem Moment, an dem mich meine Schwester anrief, um mir mitzuteilen, dass sie bereits unten vor dem Haus auf mich wartete. Sie war meine Chauffeurin, zumindest, wenn es um Besuche bei meiner Familie ging. Das war der einzige Weg, mich da hin zu bekommen, auf mich selbst gestellt
vergaß
ich die Feiern seltsamerweise immer.
    „Ich bin nicht dazu gekommen“, brachte ich eine offensichtlich lahme Ausrede an. Sie verdrehte die Augen und grunzte genervt. Ich hielt sie zur Begrüßung sachte an den Oberarmen fest und hauchte flüchtige Küsse auf ihre Wangen. Sie duftete wie immer nach Holz, Lasur und frischer Wäsche. Auch wenn man es ihrer zierlichen Erscheinung nicht ansah – man hätte sie eher für eine Kosmetikerin gehalten – sie war eine talentierte Tischlerin.
    Ich war fast einen Kopf größer als sie, hatte viel eher den Körperbau eines Handwerkers, war aber in diesen Dingen gänzlich unbegabt. Ich lebte mehr in den virtuellen Welten, zimmerte Websites, betreute Blogs und Foren, und erzeugte jene nervigen Werbebanner, die andere wieder mit Ad-Blockern sperrten.
    Das Beste an Familienfeiern waren die Hin- und Rückfahrten. Jeweils eine gute Stunde, in der meine Schwester und ich uns über Filme und Musik austauschten – da hatten wir einen ähnlichen Geschmack. Außerdem erstellten wir die Sätze für unser allseits beliebtes
'Single-Bullshit-Bingo'
.
    Zusammenkünfte von Verwandten fanden scheinbar unter der stillen Übereinkunft statt, alle Singles bis aufs Blut mit dummen Fragen zu quälen. Ob man schon
jemanden
in Aussicht habe und warum nicht, dass man endlich ans Familiengründen denken sollte und so weiter. Auf dem Weg zu den Treffen schrieben wir stets fünf Sätze auf, die man als Single
immer
zu hören bekam. Wer als erstes alle über sich ergehen hatte lassen müssen, hatte gewonnen und schrie dann laut
'Single-Bullshit-Bingo'
! Mitspieler waren Julia, Onkel Wolfgang, Carina und meine Wenigkeit. Das machte aus den unvermeidlichen und unerträglichen Fragen ein sarkastisches Spiel.
    „Ach ja, Nino, du musst hinten sitzen!“, gab mir Julia eine Anweisung, als ich ums Auto herum zum Beifahrersitz laufen wollte.
    „Wieso? Hast
du
etwa eine Torte gebacken?“, zog ich sie auf. In meinem Kosmos unfreiwillig Alleinstehender war der einzige Grund, warum der Beifahrersitz im Auto meiner Schwester belegt sein könnte, der Transport von vergeigten Süßwaren. Julia war zwar in der Lage, eine originalgetreue Jugendstilkommode zu bauen, aber den Herausforderungen der Kuchenherstellung war sie nicht gewachsen. Ich auch nicht – aber ich versuchte es zumindest nicht. Sie dagegen schon, und die traurigen Experimente wurden dann auf dem Beifahrersitz durchgeschüttelt und erfuhren am Nachspeisenbuffet meiner Eltern derbes Mobbing.
    „Ich bringe
jemanden
mit“, grinste sie breit übers ganze Gesicht, auch weil sie wusste, wie meine Reaktion ausfallen würde. Ich formte ein ungläubiges und geräuschloses
'waaaas?'
, und bückte mich runter, um durch die Heckscheibe in den Wagen sehen zu können. Ich hätte eher erwartet, auf dem Beifahrersitz hechle ein Labrador aus dem Tierheim, als
das
!
    Es erwischte mich hinterhältig! Was da im Auto meiner Schwester saß war das, was ich mit vorstellte, wenn ich mit den Händen in meine Hose kletterte. Hätte man mich aufgefordert, meinen Traummann zu basteln, hätte er selbst nach vielen Mußestunden nicht so perfekt sein können. Oder – anders gesagt – ich hatte bis zu diesem Moment nicht gewusst – wie
sehr
jemand nach all dem Aussehen konnte was ich wollte.
    Er drehte sich zu mir herum, neugierig, wie
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