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Hab ich selbst gemacht

Hab ich selbst gemacht

Titel: Hab ich selbst gemacht
Autoren: Susanne Klingner
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vom Hinterhof auf das Dach führt. Aber das Gitter kann man aufmachen, an der Rückseite gibt es einen kleinen Riegel, den ich jetzt mit Gewalt beiseiteschiebe. Schon lässt sich das Gitter aufklappen, und 22 Stufen später stehe ich auf dem Dach.
    Links und rechts der Steinplatten, die sich aneinandergereiht durch den Dachgarten schlängeln und im Laufe der Jahre von Löwenzahn und Ahornsprösslingen auseinandergeschoben und angehoben wurden, stehen unzählige Büsche – jetzt noch kahl, aber im Sommer werden sie dafür umso voluminöser und grüner sein. Von meinem Küchenfenster aus sah das Garagendach immer aus wie eine Punkfrisur. Das Konzept dieser Dachbegrünung ähnelt dem des Pausenhofes meiner ehemaligen Grundschule im Jahre 1987: Beton + Sträucher = muss reichen.
    Ein paar Schritte weiter ist ein Teich, na ja, eher ein kleines Schlammloch. Es ist mit verdörrtem Seegras vom letzten Sommer zugewuchert; und das Wasser dazwischen ist gefroren.
    Das Garagendach wäre für ein paar Gemüsekisten geradezu ideal: An ihnen latscht nicht ständig jemand vorbei und schmeißt vielleicht seine Kippen hinein, und sie bekommen mehr Sonne ab, als wenn sie auf dem Boden stehen.
    Der Hinterhof, um den es hier geht, liegt im Zentrum Münchens, und ohne Alys wäre ich nicht auf die Idee gekommen, hier einen Garten anzulegen. Alys gärtnert sogar in New York – und New York ist noch um einiges größer und kann um einiges mehr Beton vorweisen als München. Alysist Alys Fowler, von Beruf Gärtnerin und Autorin des Buches »Alys im Gartenland«, das ich mir schon im letzten Jahr während der Begrünung unserer Fensterbänke mit Gartenkräutern gekauft habe. Ihr Motto »Garten ist, was du draus machst« ist tatsächlich so gemeint: Man muss es nur machen. Im Zweifelsfall könne man Gemüse auch in Kisten ziehen, sagt sie. Das sei in der Stadt sogar sinnvoll, weil man nicht wisse, wie viel Schwermetalle und Umweltgifte der Boden im Lauf der Jahre gespeichert habe. Ich werde Alys in diesem Jahr beim Wort nehmen.
    Im Modernsprech nennt sich der städtische Gemüseanbau »Urban Agriculture« oder »Urban Farming«. Die Idee hinter alldem geht mit einer Grundhaltung zum Leben in der Stadt einher: Mir gehört in dieser Stadt mehr als nur die Wohnung, für die ich Miete zahle. Die Stadt gehört uns allen. Jeder soll und kann sie nutzen, und zwar kreativ. So, dass es eine bessere Stadt wird.
    Das Urbarmachen von städtischen Flächen ist aber nicht einfach ein Modetrend, sondern sogar eine wissenschaftliche Disziplin, habe ich gestern herausgefunden: An der Humboldt-Universität Berlin gibt es zum Beispiel seit 2003 einen Fachbereich »Urbaner Gartenbau«, unterrichtet von Professor Dr. Dr. Christian Ulrichs. Das urbane Gärtnern ist eine Vision für die Zukunft, sagen Organisationen wie die nordamerikanische Community Food Security Coalition. Sie glauben, dass in ein paar Jahrzehnten, wenn Ackerland immer rarer wird und für viele Menschen zu teuer, die Flächen in der Stadt, zum Beispiel Dächer oder eben Hinterhöfe, eine wichtige Rolle spielen werden, um große Teile der Bevölkerung mit frischen Lebensmitteln zu versorgen. Immerhin leben schon heute 50 Prozent der Menschen weltweit in einer Stadt, und es werden immer mehr.
    Es gibt auch bereits Restaurantbetreiber, die ihr Gemüse auf Brachflächen oder Dächern in der Stadt anbauen. In Berlin zum Beispiel am Kreuzberger Moritzplatz: In den 6000 Quadratmeter großen Prinzessinnengärten wachsen seit 2009 Kartoffeln, Fenchel, Basilikum in aussortierten Brotkisten. Am Anfang, als zwei Freunde das Projekt starteten, waren es nur ein paar Kisten, heute sind es Hunderte. Türkische Hausfrauen und Gartenaktivisten pflegen die Beete gemeinsam, und Schulklassen kommen genauso zu Besuch wie Wissenschaftler aus Bombay oder Boston. Im Restaurant, das die beiden Gründerjungs auf dem Gelände betreiben, wird mit dem Gemüse und den Kräutern gekocht.
    Das größte Projekt dieser Art ist eine 13   000 Quadratmeter große Anbaufläche auf einem Fabrikdach in Brooklyn, das gleich mehrere Restaurants mit frischen Zutaten versorgt. Überhaupt scheint New York die Hauptstadt der urbanen Farmer zu sein. Während ich versuche, mehr über den Trend des urbanen Gärtnerns herauszufinden, stoße ich auf eine Bilderserie mit Aufnahmen von grünen Dächern und Fassaden in New York, und zwar nicht nur private Terrassen, sondern richtig groß angelegte Grünflächen, auch vertikale. Was ein Hinweis
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