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Hab ich selbst gemacht

Hab ich selbst gemacht

Titel: Hab ich selbst gemacht
Autoren: Susanne Klingner
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Freundin einen Zeitungsartikel gegeben, in dem sechs Omas aus dem Schwarzwald vorgestellt werden. Das Besondere an diesen Omas ist, dass man bei ihnen Ferien machen und dabei das Sockenstricken lernen kann. Ob ich es bei ihnen lernen werde oder zu Hause auf dem Sofa mithilfe von Youtube – Videos: Für nächstes Weihnachtenkann sich die Verwandtschaft schon mal auf selbst gestrickte Socken einstellen.
    Was mir immer noch im Kopf herumschwirrt: die Eier aus eigener Hühnerhaltung. So ein Huhn, das wäre schon was. Da ich in diesem Jahr aber nicht einmal mehr den kleinen Garten haben werde, ist auch ein Hühnerstall undenkbar.
    Einen konkreten Plan gibt es in Sachen Seife: mit der Mutter des Mannes verabredet, um neue Rezepte auszuprobieren. Zu Weihnachten waren unsere Seifenstücke der Geschenkeknaller schlechthin, die Beschenkten lasen das Etikett und vor allem den Hinweis »handgemacht« und bekamen große Augen. Und wie beim Brot war es auch hier: Selbermachen ist fast immer dann am tollsten, wenn man anderen Menschen eine Freude macht.
    Und: Die Kiste mit den Käseutensilien hat mich am Wochenende so nett angelächelt, dass ich den Mann überredet habe, demnächst noch einen Tag mit Milch, Lab und Steakthermometer zu verbringen. Das Selbermachen wird also auf jeden Fall Teil meines Lebens bleiben, wenn auch nicht an jedem Wochenende und jedem Feierabend. Dafür sitze ich zu gern mit einem Stapel Bücher auf dem Sofa oder an der Isar. Wobei ich gemerkt habe, dass es mir nach diesem Jahr viel schwerer fällt, mich auf längere Texte zu konzentrieren, einfach dazusitzen und zu lesen, anstatt etwas mit den Händen anzustellen.
    Was nun die Frage des Glücks angeht: Ja, es gibt Selbstgemachtes, das glücklich machen kann. Ein Garten zum Beispiel. Mit einem halben Jahr Abstand zu meinem katastrophalen Gartenjahr denke ich vor allem an das tolle Gefühl, eine ganze Schüssel voll Kartoffeln aus der Erde zu holen – und natürlich sie später auch zu essen und bei jedem Bissen zu denken: Die hab ich selbst angebaut. Oder wenn ich in das Regal in der Abstellkammer schaue, in dem die beiden Flaschen Sirup und immer noch 14 Gläser Pflaumenmarmelade stehen: Jedes einzelne Mal denke ich stolz: Die hab ich selbst gemacht! Wenn ich mein schönes Cocktailkleid im Schrank hängen sehe, denke ich an den Abend mit dem Mann im Smoking an meiner Seite zurück und kann nicht aufhören, glücklich darüber zu grinsen, dass ich mir tatsächlich ein kleines Schwarzes selbst genäht habe. Und auch die vielen Veränderungen in unserer Wohnung machen mich immer wieder stolz: Wenn ich das Regal in der Küche sehe oder das Ärmelbrett in der Abstellkammer oder wenn ich in der Badewanne liege und unsere weiß lackierten Badwände anschaue – dann denke ich: Es war eine gute Idee, dieses Selbermachjahr. »Ich würde es wieder machen«, habe ich zum Mann gesagt, und er wirkte überrascht: »Echt? Zwischendurch warst du ja schon auch ganz schön genervt.« Damit hat er zweifellos recht. Und trotzdem. Auch wenn viel zu oft die Zeit fehlt oder ich nach der Arbeit einfach zu kaputt bin, um mich noch zu einem Brot durchzuringen – wenn ich dann eines gebacken habe oder wenn ich anstatt der Fernbedienung die Stricknadeln in die Hand genommen habe, dann überkommen mich immer wieder die beiden gleichen Gefühle: Stolz und Glück. Genau diese beiden Gefühle sind wohl auch die schlichte und einfache Antwort auf die dritte Frage: warum viele Menschen das Arbeiten mit den eigenen Händen wiederentdecken. All die komplexen Gründe, die Konsumkritik, die Selbstverwirklichung, Entschleunigung und ein neues Lebensgefühl sind sicherlich wichtig. Auch für mich. Aber entscheidend bleibt am Ende wohl trotzdem: weil Selbermachen glücklich macht. Weil es in unserer heutigen Zeit für viele Menschen, mich eingeschlossen, überraschend und beeindruckend ist, was sie mit ihren Händen so alles können – sie wachsen beim Selbermachen über sich selbst hinaus.
    Und wer liebt dieses Gefühl nicht?
    Eben.

Hinweise

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Das Buch
    Die neue Lust am Selbermachen

Das Selbermachen ist zurück – und es sieht so ganz anders aus als früher: Baumärkte drehen verrückte Werbespots, statt in die Kleingärtnerkolonie geht’s  zum urban gardening – und alle Welt tauscht plötzlich Einmachrezepte übers Internet aus. Was ist dran an diesem Trend? Warum wird im ganzen Land wieder mit Hingabe gehämmert, gegärtnert, gestrickt und gebrutzelt?

Die Journalistin
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