Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus
Autoren: Dirk C. Fleck
Vom Netzwerk:
Die Berufung
    Boston, Massachusetts, 29. Februar 2028. Die schwarze Limousine, die um Punkt 22 Uhr auf den Parkplatz der Marina rollte, hielt direkt auf den Bootssteg Nummer 4 zu. Ihre Scheinwerfer erhellten die langen Bohlen, als wollten sie der Person, die ihr gleich entsteigen würde, den Weg weisen. Nach zwei Minuten aber hatte sich die Tür zum Fond noch immer nicht geöffnet. Der Mann von der Security entsicherte seine Pistole und beobachtete die Szene nervös aus dem Wachhäuschen. Es vergingen weitere zwei Minuten, bevor eine sportlich gekleidete junge Dame ihren Fuß auf das Pflaster setzte. Sie trug einen weißen Rollkragenpullover, Jeans und Joggingschuhe. An der Schulter baumelte ein roter Lederbeutel.
    »Zu wem möchten Sie, Ma’am?«, fragte der Wachmann, der sein Häuschen inzwischen verlassen hatte.
    »General Morgan erwartet mich.«
    »Das Stichwort, Ma’am …«
    »Bitte?«
    »Wie lautet Ihr Stichwort, Ma’am?«
    »Rosebud.«
    »In Ordnung. Aber ich muss noch einen kurzen Blick in Ihre Tasche werfen.«
    Die junge Frau streifte den Lederbeutel von der Schulter. Lächelnd sah sie zu, wie sich die Hände des Wachmannes durch allerlei Reizwäsche, Strapse und Perücken bis auf den Grund wühlten.
    »Sie dürfen passieren«, sagte er schließlich, ohne sich seine Verblüffung anmerken zu lassen. »Es ist das vorletzte Boot auf der linken Seite. Wen darf ich melden?«
    »Yvonne.«
    Der Security-Mann gab den Weg frei und verschwand in seinem blau-weiß gestreiften Häuschen, während die junge Frau im Lichtkegel der Scheinwerfer an den dümpelnden Luxusjachten vorbei ihrem Ziel entgegenschritt. Sie hatte das Gefühl, übers Meer zu laufen, und ihre weicher werdenden Knie verstärkten den Eindruck noch. Endlich stand sie vor dem Boot des pensionierten Generals, das sich zwischen den protzigen Wasserkutschen bescheiden ausnahm. »BUT ROSE , Miami« stand in goldenen Lettern am Heck. Sie gab sich einen Ruck und stieg die schmale Gangway hinauf an Deck. Die Tür zur Kajüte stand offen, also ging sie hinein.
    Der Raum verströmte einen merkwürdigen, von Desinfektionsmitteln gesättigten Geruch. Die Einrichtung war erstaunlich bieder. Die gerüschten Gardinen korrespondierten auf geschmacklose Weise mit dem grell gemusterten Teppich. An den Wänden hingen ein Dutzend Kupferstiche, auf denen alte Viermaster mehr oder weniger schräg in der Dünung lagen. Der antike Sekretär mit dem blätternden Furnier war mit gerahmten Familienfotos bestückt, über denen ein goldgefasstes Barometer Aufschluss über die Wetterlage gab.
    »Nimm doch Platz, Yvonne!«, rief eine brüchige Männerstimme. »Und schenk uns schon mal von dem Champagner ein!«
    Auf dem gekachelten Tisch zwischen den drei Ledersesseln stand eine Flasche »Krug« im Kübel. Die junge Frau versuchte sich am Drahtverschluss der Flasche, als ein etwa siebzigjähriger Mann die Stufen hinunterstieg und auf halber Strecke stehen blieb.
    »Wer sind Sie?!«, fragte er sichtlich perplex. »Was tun Sie hier!?«
    Kaum dass er ausgesprochen hatte, löste sich der Korken und knallte unter die Decke. Die Frau hielt die schäumende Flasche am ausgestreckten Arm von sich. General Morgan eilte nach nebenan und kehrte mit einem Stapel Papiertaschentücher zurück, die er auf dem Teppich ausbreitete, bis sie sich vollgesogen hatten. Wie lächerlich er aussah mit seiner Kapitänsmütze, dem blauen Blazer und der weißen Hose, dachte die Frau mit der Flasche in der Hand.
    »Also«, sagte Morgan und blickte an ihr hoch, »wer sind Sie?«
    »Mein Name ist Jasmin, ich komme anstelle von Yvonne, sie musste kurzfristig umdisponieren.«
    Der General erhob sich, rückte die Mütze zurecht und schüttelte den Kopf. »So geht das nicht«, presste er schwer atmend hervor. »Ich werde mich bei der Agentur beschweren, so geht das nun wirklich nicht. Entweder Yvonne oder keine, das sind die Regeln, so ist es mit Monique verabredet.« Seine wässrigen Augen taxierten abschätzig den Ersatzkörper, den man ihm geschickt hatte. Die Blicke des Generals streiften über die langen Beine bis hin zu den Brüsten, die sich unter dem weißen Pullover der fremden Lady deutlich abzeichneten. »Monique weiß doch, dass ich ausschließlich blonde Frauen um mich dulde«, erregte er sich und ging erneut auf die Knie, um die gesättigten Papiertaschentücher aufzuklauben.
    Die junge Frau kramte in ihrem Lederbeutel nach der Perücke.
    »Was lungern Sie hier noch herum?«, ließ sich der General,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher