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Hab ich selbst gemacht

Hab ich selbst gemacht

Titel: Hab ich selbst gemacht
Autoren: Susanne Klingner
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leben oder gleich ganz im Wald.«
    Ich fragte zurück: »Bin ich denn nicht jetzt schon wunderlich?«
    Seine Angst, dass mein eh schon vorhandener Öko-Aktivismus in – Extremismus umschlagen könnte, kann ich gut nachvollziehen. Ich habe ihn im Laufe der letzten Jahre überredet, Öko-Strom zu beziehen, Sparlampen und – wasserhähne zu benutzen, unser Geld bei einer Ökobank anzulegen, und liege ihm seit Anbeginn unserer Liebe in den Ohren, er solle sein Auto abschaffen. Für ihn scheint der Gedanke, ab sofort würde ich in selbst genähter Jutekleidung herumlaufen, durchaus realistisch.
    »Ich werde alles ausprobieren«, erklärte ich ihm, »aber wenn du etwas wirklich ätzend findest, können wir das diskutieren, okay?«
    »Können wir dann gleich mal über dieses Brot hier reden?«, fragte er und zeigte auf den grauen Brotrest auf unserem Frühstückstisch.
    »In zwei Monaten vielleicht.«
    Der Mann brummte, und dann sagte er: »Irgendwie ist es ja auch cool, dass du alles ausprobierst, weißt du.«
    Er ist eben doch der Sohn seiner Mutter, denke ich mir jetzt, als ich sie am Telefon habe. Sie will ich nicht nur in meinen Plan einweihen, um den Druck zu erhöhen, wirklich etwas zu tun. Ich erhoffe mir von ihr auch Hilfe. Zum Beispiel Gartentipps. Sie hat einen riesigen Garten, sie liebt ihn über alles, und dementsprechend enthusiastisch reagiert sie auf meine Selbermachpläne.
    »Ein Garten ist das Größte!«, ruft sie in den Telefonhörer. »Es gibt nichts Besseres als selbst angebautes Gemüse!«
    Die Mutter des Mannes begeistert sich aber auch sonst für alles Selbstgemachte. Deswegen redet sie ohne Luft zu holen weiter: »Du könntest töpfern, wir haben hier in der Gegendeine Frau, die macht so tolle Sachen aus Ton, die könnte dir zeigen, wie das geht. Oder spinnen! Was hältst du von Spinnen? Wolle spinnen! Das machen hier manche Bauern noch. Schafswolle. Mach deine Wolle selber!«
    Ich nicke langsam vor mich hin. »Mal sehen, ja.«
    Die Mutter des Mannes ist jetzt nicht mehr zu bremsen. Sie ist die lustigste Hippie-Frau, die ich kenne, und ich glaube, wenn sie die Zeit dafür hätte – die sie aber auf Demos und beim Unterschriftensammeln gegen Atomkraft verbringt –, würde sie alles selber machen. Nie wieder einkaufen, ganz autark leben.
    Meine Mutter dagegen sagt erst einmal gar nichts, als ich sie eine halbe Stunde später anrufe und auch ihr erzähle, was ich in den nächsten zwölf Monaten vorhabe.
    »Ist das nicht ganz schön anstrengend?«, fragt sie dann doch.
    »Vielleicht ja, mal sehen.«
    »Also ich fand das immer anstrengend. Als Kind habe ich aufs Feld gemusst, Kartoffeln sammeln, und Butter haben wir auch gemacht. Das muss ich nicht mehr haben.«
    Dabei dachte ich immer, meine Mutter sei überzeugte Selbermacherin, immerhin habe ich von ihr gelernt, was man mit Stricknadeln tut, wie man eine Nähmaschine bedient oder die Bohrmaschine benutzt. Ich sehe auch vor mir, wie sie und meine Oma im Sommer in unserer Datsche Brombeersträuche setzen und im Herbst Marmelade einkochen.
    Als ich ihr das sage, antwortet sie: »Das ist doch was anderes. Das ist doch normal.«
    »Aber in meinem Alltag mache ich das alles nicht. Die meisten Leute machen das nicht, weißt du.« Meine Mutter denkt, dass alles, was sie weiß und kann, normal ist. Sie denkt nie, dass sie was ganz Besonderes könne oder wisse – sie ist in dieser Hinsicht sehr ostdeutsch. Dieses ganze Selbermachding im Osten, das Anpacken und Improvisierenkönnen, das finden die meisten Ostdeutschen völlig normal, dabei sind das echte Talente.
    »Mama, ich werde dich in diesem Jahr auf jeden Fall ziemlich oft um Rat fragen müssen.«
    »Kannst du gerne machen.« Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: »Und wenn mal was nichts wird, kannst du es ja immer noch kaufen.«
    Als ich den Hörer auflege, habe ich das Gefühl, meine Mutter findet ihr jüngstes Kind merkwürdig.
    Aber mich hat jetzt wieder der Enthusiasmus gepackt, den ich vor einer Woche in der Magengegend spürte, als ich meine Liste schrieb. Deswegen lege ich sie mir neben meinen Computer, schalte ihn ein und fange an, im Online-Buchladen nach Büchern zu suchen, die mir das beibringen, was ich nicht kann.
    Nachdem ich mich ein paar Stunden durch Selbermachbücher geklickt habe, merke ich: Auf meine Kaufliste habe ich fast nur englische Titel gesetzt. Die machen mich viel mehr an, versprühen einen rauen Charme: Man muss sich erst einmal trauen, ein Buch »The Big-Ass Book
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